Zwei Jahre nach Tugces Tod: Täter will nicht abgeschoben werden
Der gewaltsame Tod der Studentin Tugce bewegte Millionen, dem Täter droht nun die Abschiebung in sein Heimatland. Mit einer Entscheidung ist erst in einigen Monaten zu rechnen.
Frankfurt/Main. Im Morgengrauen des 15. November 2014 versetzt Sanel M. der vier Jahre älteren Tugce Albayrak auf einem Parkplatz vor einem Fast-Food-Lokal in Offenbach einen heftigen Schlag. Die 22-Jährige stürzt, wird schwer am Kopf verletzt und fällt ins Koma. Die Eltern der jungen Frau aus dem osthessischen Gelnhausen lassen 13 Tage später die lebenserhaltenden Apparate abschalten. Es ist der 23. Geburtstag ihrer Tochter. Die Mediziner hatten schon Tage vorher den Hirntod festgestellt. Die traurigen Ereignisse beschäftigten Millionen Menschen.
In Gedenken an die Studentin haben Angehörige einen gemeinnützigen Verein gegründet. Der Verein Tugce Albayrak will Kriminalprävention und Organspenden fördern sowie Opfern von Straftaten helfen. Dafür soll auch eine Stiftung gegründet werden. Das notwendige Startkapital von 50 000 Euro sei aber noch nicht ganz zusammen, sagte der Vereinsvorsitzende und Anwalt der Familie, Macit Karaahmetoglu. Die Gießener Uni, an der Tugce studierte, stellte einen Gedenkstein für sie auf.
Der Täter wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Juni 2015 vom Landgericht Darmstadt zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der zur Tatzeit gerade 18-Jährige habe Tugces Tod nicht beabsichtigt, sagte der Vorsitzende Richter Jens Aßling. Aber: „Wer so heftig zuschlägt, der nimmt die Körperverletzung in Kauf.“ Das Gericht bescheinigt dem Heranwachsenden „schädliche Neigungen“ und „erhebliche Erziehungsdefizite“ beim Umgang mit Gewalt.
Im Prozess wurde deutlich, dass sich die Mädchengruppe um Tugce und die Jungenclique um Sanel vor dem tödlichen Schlag mehrfach gegenseitig schwer beleidigt und provoziert hatten. Tugce soll vor den Pöbeleien zwei damals 13 Jahre alten Mädchen auf der Toilette des Restaurants geholfen haben, Sanel und dessen Freunde loszuwerden. Dass er ihr später den verhängnisvollen Schlag versetzte, wurde damit in Verbindung gebracht und Tugces Verhalten als Beispiel für Zivilcourage gefeiert. Im Prozess blieb offen, ob die Mädchen Tugces Hilfe tatsächlich brauchten.
Nach dem Willen der Ausländerbehörde soll der inzwischen 20 Jahre alte Sanel nach Serbien abgeschoben werden. Dagegen wehrt er sich vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden. Mit einer ersten Entscheidung im Eilverfahren ist nach Angaben einer Gerichtssprecherin in drei bis sechs Monaten zu rechnen.
Die Familie Tugces würde nach den Worten ihres Anwalts Karaahmetoglu eine Ausweisung begrüßen. „Selbstverständlich möchte die Familie nicht, dass Sanel. M, der für den Tod von Tugce verantwortlich ist, ihnen irgendwann über den Weg läuft, zumal er und seine Freunde sich während des Prozesses ziemlich respektlos verhalten haben“, sagte er. Der tragische Tod Tugces habe ihre Mutter fast gebrochen. Die Brüder, der Vater und die anderen Angehörigen versuchten inzwischen, trotz des Schmerzes ihr Leben weiter zu leben.