Zwischen Familie und Kirche
Veronika und Reinhard Ambrosch arbeiten beide als Pfarrer in Düsseldorf. Viel Zeit für die Familie gab es zuletzt kaum.
Düsseldorf. Einiges, was am Donnerstagabend passieren wird, ist sicher: Dass Ann-Sophie (5), Felicitas (9) und Marie-Isabelle (7) die Töchter des Pfarrerehepaares Veronika und Reinhard Ambrosch, morgens die letzte Adventsgeschichte aus der Kinderbibel hören.
Dass um 16 Uhr Reinhard Ambrosch in der Dankeskirche in Düsseldorf-Benrath die Kindervesper feiert und die ganze Familie dabei ist. Dass, kaum ist es draußen dunkel, das Krippenspiel losgeht. Dass es danach bei den Ambroschs beschwert wird und alle erst an den Weihnachtsbaum dürfen, wenn Veronika Ambrosch mit dem Glöckchen klingelt. Das ist zumindest sicher.
Noch bis kurz vor Heiligabend hatte Reinhard Ambrosch, Pfarrer der Benrather Dankeskirchengemeinde, dagegen Weniges, was wirklich fest stand. Die Predigt etwa. Bedeutend soll sie sein und Bezug zur Tagesaktualität haben. "Meine Frau predigt eher sehr persönlich, ich mag es lieber grundsätzlich und theologisch", sagt der Pfarrer.
Sechs Stunden sitzt er vor Heiligabend an der wichtigsten Predigt des Jahres. Außerdem musste er das Krippenspiel organisieren. Und da bestand immer die Gefahr, dass jemand ausfällt. Schweinegrippe hieß das Schlagwort, das Sorgenfalten auf die Pfarrer-Stirn warf.
Aber Ambrosch ist geübt darin, Lösungen zu finden. Denn Probleme gibt es einige in den Tagen vor Weihnachten, und die Zeit ist immer knapp. Das mit den Problemen und der Zeit sagt er nicht so ausdrücklich. Lieber wählt er Sätze wie: "Gerade vor Weihnachten ist mein Terminkalender sehr voll." Er fährt in Kindergärten, Altenheime, leistet Trauerbeistand und hat Besprechungen.
Jetzt sitzt er in seinem kleinen Büro in einem Chaos aus Bücherstapeln und Dutzenden Papieren. Das Büro, das er sich mit seiner Frau teilt, gehört zu der 200-Quadratmeter-Wohnung, die ihm von der Gemeinde gestellt wird. Man merke schon, sagt der Pfarrer, wie groß die Hoffnungen, Erwartungen, und leider oft auch Enttäuschungen seien, in dieser Zeit. So viel richte sich an Hoffnung auf das Fest, das führe auch zu, dass etwas schief geht.
Ein paar Türen weiter spielen Marie-Isabelle und Ann-Sophie mit den Kaninchen. Die gibt es als Geschenk eigentlich erst zu Weihnachten, aber da die Familie sie bereits im Tierheim ausgesucht hat, hat das Christkind sie schon vorher vorbei gebracht. Felicitas ist beim Ballett, die muss der Vater gleich abholen.
Momentan kümmert sich Veronika Ambrosch um die Erziehung der Kinder. Zwar teilt sie sich mit ihrem Mann die Stelle als Pfarrer - und das Gehalt, denn bei einem Pfarrerehepaar ist es üblich, dass beide die Hälfte des Geldes bekommen - aber noch ist sie in der Elternzeit.
Im Prinzip gibt es bei den Ambroschs in diesen Tagen den gleichen Vorweihnachtsstress wie in vielen anderen Familien auch. Zwar versuchen sie sich Zeit für die gemeinsame Besinnung zu nehmen: mit den Kindern zu Hause Weihnachten vorzubereiten, zu backen, Weihnachtsgeschichten vorzulesen und Hausmusik zu machen. Aber die gemeinsame Besinnung gelingt nicht jeden Tag.
Das Telefon klingelt oft, Mitarbeiter kommen vorbei. Den ganzen Dezember geht das so. Doch Reinhard Ambrosch wirkt nach einem Elf-Stunden-Tag nur so lange etwas adventsmüde, bis er anfängt zu sprechen. Dann ist er ganz konzentriert, begeistert und voll Elan - und Vorfreude auf das Fest.
"Natürlich", sagt er, "bringt die Weihnachtszeit uns beide als Pfarrer in einen Zwiespalt". Einerseits gebe es die berechtigten höheren Anforderungen der Gemeinde, andererseits sei auch da auch der Anspruch, zunächst eine stille, nachdenkliche Zeit zu leben - und die mit der Familie vorzuleben. "Denn eigentlich ist der Advent ja keine Zeit des Lärms, der Hektik und des Feierns, sondern des Vorbereitung", sagt Veronika Ambrosch.
Zeit geben muss es aber nicht nur für die Familie, sondern auch für Menschen, denen die dunkle Jahreszeit an die Seele geht, denen Weihnachten Einsamkeit bedeutet. Auch das will das Ehepaar in diesen Tagen leisten.
Ganz nebenbei versuchen die Ambroschs selbst zur Ruhe zu kommen.