Ägyptens Regierung droht Muslimbrüdern mit Verbot
Kairo (dpa) - Der blutige Machtkampf zwischen den entmachteten Islamisten und dem Sicherheitsapparat in Ägypten geht in eine neue Runde. In Kairo kam es am Samstag zu dramatischen Szenen vor der von Demonstranten besetzten Al-Fateh-Moschee, als während der Räumung des Gebäudes eine Schießerei entbrannte.
Nach den Unruhen der vergangenen Tage diskutiert die Übergangsregierung jetzt über ein Verbot der islamistischen Muslimbruderschaft. Zugleich drohte sie, mit „eiserner Faust“ gegen Terrorismus vorzugehen. Im Gegenzug kündigten die Muslimbrüder nach dem von ihnen ausgerufenen „Freitag der Wut“ weitere Proteste an.
Bei den gewaltsamen Zusammenstößen vom Freitag waren nach Angaben der Regierung 173 Zivilisten getötet und weitere 1330 Menschen verletzt worden. Unter den Toten ist ein Sohn des Oberhauptes der Muslimbruderschaft, Mohammed Badia.
Insgesamt wurden seit Beginn der Ausschreitungen am vergangenen Mittwoch mehr als 750 Menschen getötet, darunter 57 Polizisten. Mustafa Hegasi, ein Berater von Übergangspräsident Adli Mansur, warf internationalen Medien vor, sie berichteten nicht über die Gräueltaten militanter Islamisten, beispielsweise über die Erstürmung der Polizeistation im Kairoer Bezirk Kerdasa, wo Offiziere getötet und ihre Leichen geschändet worden waren.
In der Al-Fateh-Moschee weigerten sich am Samstag zunächst mehrere Hundert Mursi-Anhänger, die dort seit Freitagabend ausgeharrt hatten, die von Sicherheitskräften und einer Menschenmenge belagerte Moschee zu verlassen. Die Menschen vor der Moschee seien aufgebracht, weil am Freitag aus der Kundgebung der Islamisten heraus Schüsse abgegeben worden seien, berichtete ein Fotograf der dpa-Partneragentur epa.
Die Lage rund um die Moschee eskalierte am Nachmittag.
Dutzende von Demonstranten flüchteten aus der Moschee, nachdem mehrere Schüsse gefallen waren. Reporter ägyptischer Fernsehsender sagten, die Sicherheitskräfte seien von Bewaffneten vom Minarett der Moschee aus beschossen worden. Mehrere Soldaten hätten daraufhin das Feuer erwidert. Demonstranten liefen in Panik aus der Moschee auf die Straße. Die Polizei griff ein, um sie vor einem wütenden Mob zu schützen, der sich vor dem Gebäude versammelt hatte.
Angehörige einer Spezialeinheit drangen anschließend in das Gebäude ein. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen nahmen sie sieben Bewaffnete fest, darunter einen Türken und einen Sudanesen. Am Freitag versammelten sich Anhänger der Muslimbruderschaft in mehreren Provinzen zu kleineren Protestkundgebungen.
Der Vorschlag, die Muslimbruderschaft für illegal zu erklären, stammt von Übergangsministerpräsident Hasim al-Biblawi. Er sagte: „Es kann keine Versöhnung geben, mit denjenigen, an deren Händen Blut klebt“. Die Muslimbruderschaft war während der Amtszeit des 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak offiziell verboten gewesen. Ihre neu gegründete Partei für Freiheit und Gerechtigkeit ging aus der Parlamentswahl nach dem Sturz Mubaraks als stärkste politische Kraft hervor. Laut Umfragen hat sie seither einen großen Teil ihrer Popularität eingebüßt. Mohammed Mursi war 2012 als Kandidat der Muslimbrüder zum Präsidenten gewählt worden. Am 3. Juli 2013 setzte ihn das Militär nach Massenprotesten ab.
Der Vorsitzende der Auslandspressevereinigung (FPA) und langjährige „Spiegel“-Korrespondent Volkhard Windfuhr schrieb in einer Botschaft an die Mitglieder der Vereinigung, ein „sogenannter friedlicher Demonstrant“ habe am Freitag auf der 15-Mai-Brücke in Kairo auf ihn geschossen. Er habe die Attacke mit viel Glück unversehrt überlebt. Aggressive „Protestierende“ würden inzwischen wahllos Menschen angreifen.
Der Sprecher des ägyptischen Außenministeriums, Bader Abdel Atti, wies die Vorwürfe zurück, die Sicherheitskräfte gingen mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstranten vor. Ägypten werde keinerlei Einmischung von außen akzeptieren, egal von welchem Land, fügte er hinzu.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und sein Amtskollege aus Katar, Chalid al-Atija, äußerten sich am Samstag bestürzt über die Eskalation der Gewalt in Ägypten. „Die neuen Todesfälle erschüttern und empören uns“, sagte Westerwelle nach einem Treffen am Samstag in Berlin. Nur ein Dialog und eine stufenweise Abschwächung könnten zu einer Lösung führen. Mit Empörung habe die Bundesregierung auch die erneuten Angriffe auf Christen registriert.
Die koptisch-orthodoxe Kirche, deren Einrichtungen in den vergangenen Tagen mehrfach Ziel islamistischer Brandattacken wurden, erklärte in der Nacht ihre Solidarität mit Polizei und Armee. Christliche Aktivisten registrierten seit Mittwoch landesweit 85 Übergriffe auf Christliche Kirchen, Schulen und Gemeindezentren, sowie auf Geschäfte und Häuser, die Christen gehören.