Ansturm der Flüchtlinge nach Italien reißt nicht ab
Lampedusa (dpa) - Der Exodus der Bootsflüchtlinge aus Tunesien nach Italien geht unvermindert weiter. Angesichts des massiven Ansturms genehmigte die italienische Regierung die Wiederöffnung eines Flüchtlingslagers auf Lampedusa südlich von Sizilien, wo binnen vier Tagen 5000 Bootsflüchtlinge ankamen.
Auf der kleinen Insel wurden am Abend rund 1000 Menschen in das einst als Erste-Hilfe-Lager konzipierte Zentrum „Contrada d'Imbriacola“ verlegt, berichteten italienische Medien.
Viele Flüchtlinge seien nur widerstrebend in das Lager gegangen. Sie haben Angst, festgenommen zu werden. Das Zentrum fasst regulär rund 800 Menschen. Am Vortag war aufgrund der auf die Insel drängenden Menschenmassen für Lampedusa bereits der humanitäre Notstand ausgerufen und eine Luftbrücke eingerichtet worden.
Mindestens 230 Menschen wurden am Sonntag mit Flugzeugen und Fähren nach Sizilien und aufs italienische Festland gebracht, wo sie auf andere Lager verteilt wurden, wie italienische Medien berichteten. Die Situation blieb dennoch dramatisch. Polizeiangaben zufolge befanden sich am Nachmittag noch 2300 Flüchtlinge auf der Insel. Rund 300 weitere Migranten wurden auf See gesichtet und gegen Abend erwartet. Die Zahlen schwankten ständig, da weitere Boote die Insel anpeilten und gleichzeitig Flüchtlinge in andere Lager gebracht wurden.
Allein in der Nacht zum Sonntag waren knapp 1000 Tunesier in zahlreichen Booten auf der rund 150 Kilometer vor der nordafrikanischen Küste gelegenen Insel angekommen. Auf der nur 20 Quadratkilometer großen Insel leben etwa 4500 Menschen.
Die meisten Ankömmlinge, darunter auch Frauen, waren von den Behörden bisher nur provisorisch am Hafen und in Einrichtungen des einzigen Ortes der Insel untergebracht worden. Rom hatte die Wiedereröffnung eines großen Lagers auf Lampedusa zunächst abgelehnt, um die Flüchtlinge „nicht zusätzlich zu ermutigen“. Die Lager waren vor etwa einem Jahr geschlossen worden, da wegen der umstrittenen Flüchtlingspolitik der italienischen Regierung kaum noch Menschen auf Lampedusa eintrafen.
Innenminister Roberto Maroni hatte am Freitag davor gewarnt, in den Wirren nach der Revolte in Tunesien könnten sich auch Terroristen unter die Immigranten mischen. Es gebe wegen der Krise dort keine Kontrollen mehr. Außenminister Franco Frattini verlangte rasche Maßnahmen der EU zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms und wollte mit der neuen Regierung in Tunis über eine Lösung sprechen. Bei der letzten Flüchtlingswelle auf die Insel waren zwischen Juli 2008 bis Juli 2009 mehr als 20 000 Bootsflüchtlinge dort angekommen.