Britischer Geheimdienst: „Ihr habt euren Spaß gehabt, gebt das Material zurück“
Der britische Geheimdienst verlangt von einer der renommiertesten Zeitungen des Landes, Informationen zu löschen.
London. Was „Guardian“-Chefredakteur Alan Rusbridger da schildert, klingt ein wenig wie eine Szene aus der Feder von Bestseller-Autor John Le Carré: Britische Agenten gehen in den Keller der renommiertesten Zeitung des Landes und zwingen die Journalisten, Festplatten mit sensiblen Informationen zu zerstören.
Zuvor habe es Telefonate und Treffen mit Vertretern der Regierung gegeben, so beschreibt Großbritanniens vielleicht profiliertester Journalist jene Szenen, die sich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Edward Snowdens Enthüllungen bei der Zeitung abgespielt haben. „Ihr habt euren Spaß gehabt, jetzt gebt das Material zurück“, soll eine der als „fadenscheinig“ beschriebenen Figuren gesagt haben.
Rusbridger schreibt das zwei Tage, nachdem der Ehepartner seines Enthüllungsreporters Glenn Greenwald, David Miranda, fast neun Stunden lang von britischen Polizisten und vermutlich auch Geheimdienstmitarbeitern verhört worden war — für die Mannschaft vom „Guardian“ ganz klar ein weiterer Einschüchterungsversuch.
Miranda hatte möglicherweise als eine Art Kurier zwischen Greenwald und dessen in Berlin lebender Recherchepartnerin Laura Poitras fungiert. Vielleicht hatte er Kopien von Daten bei sich, deren Zerstörung der Geheimdienst einst im Keller des „Guardian“ überwacht hatte. Was genau er im Gepäck hatte, wisse er selbst nicht, gab Miranda an.
Die Welle des Protestes geht weit über die Ufer der Insel hinaus. Sie reicht von der Regierung Brasiliens bis zu den deutschen Grünen. „Ein Akt gegen die Pressefreiheit“, heißt es unisono.
Rusbridgers Worte, in einem langen Kommentar in der Ausgabe von Dienstag seiner Zeitung zusammengefasst, sind die Enthüllung nach der Enthüllung. Snowden zeigte mit seinen Geheimdokumenten auf, wie die Regierungen der USA, Großbritanniens und anderer Länder ihre Bürger flächendeckend ausspähen. Rusbridger zeigt nun, wie die Regierung Cameron auf diese für sie unangenehme Preisgabe von Informationen reagiert: Mit Druck und Einschüchterungsversuchen gegen Medien.
„Diese Aktion ist total sinnlos“, sagt die Direktorin der britischen Publizisten-Vereinigung „English Pen“, Jo Glanville. Jeder wisse, dass Festplatten kopiert werden könnten und ihre Zerstörung nicht die Veröffentlichung der Daten verhindere. „Das zeigt, wie wenig sie tun können“, sagte Glanville. Und bekommt Unterstützung aus berufenem Munde: „Sie können nichts zerstören - sie können jeden Tag Dokumente beschlagnahmen, und wir werden immer von allem viele Kopien haben“, sagte Greenwald am Dienstag in Rio de Janeiro.