Chaos und Kämpfe vor erster Parlamentssitzung in Libyen
Tripolis/Tobruk (dpa) - Kurz vor der ersten Sitzung des neu gewählten Parlaments wird die Lage in Libyen immer hoffnungsloser. In Tripolis kämpften verfeindete Milizen nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Lana erbittert weiter.
Tunesien schloss derweil den wichtigsten Grenzübergang zwischen beiden Ländern.
Nach Angaben der offiziellen tunesischen Nachrichtenagentur TAP fiel die Entscheidung, nachdem Tausende Flüchtlinge versucht hatten, den Übergang zu stürmen. Dabei seien auch Schüsse gefallen. Tunesische Sicherheitskräfte hätten zudem Tränengas eingesetzt.
In Tunesien gab es schon seit Tagen Debatten über eine Schließung der Grenze, da das Land wegen des anhaltenden Flüchtlingsstroms wirtschaftliche Konsequenzen befürchtete sowie das Einsickern islamischer Terroristen. Ob und wann der Übergang wieder geöffnet wird, blieb unklar.
Vor etwa drei Wochen hatten Kämpfe zwischen Milizen aus Al-Sintan und Misrata um den Flughafen der Hauptstadt Tripolis zu einer dramatischen Verschlechterung der Sicherheitslage in Libyen geführt. Die meisten ausländischen Diplomaten haben inzwischen das Land verlassen.
Das Gesundheitsministerium geht auf seiner Facebookseite davon aus, dass in Tripolis seit Beginn der Gefechte etwa hundert Menschen getötet und mehr als 400 verletzt worden seien. In Bengasi - wo Islamisten gegen abtrünnige Soldaten kämpfen - sollen fast 80 Personen ums Leben gekommen und knapp 300 verletzt worden sein. Die bewaffneten Gruppen Libyens hatten einst als Revolutionsbrigaden den Aufstand gegen Gaddafi angeführt und kämpfen nun für eigene Interessen.
In dieser schwierigen Situation will sich am Samstag erstmals das neu gewählte Parlament treffen. Die Sitzung wird aus Sicherheitsgründen aber nicht in der Hauptstadt Tripolis oder - wie ursprünglich geplant - in Bengasi einberufen, sondern in der Hunderte Kilometer östlich liegenden Stadt Tobruk. Offiziell übernimmt das 200-köpfige Parlament laut lokalen Medienberichten aber erst am Montag die Legislativrechte.
Bei der Wahl Ende Juni waren nur unabhängige Kandidaten und keine Parteilisten erlaubt, um politische Machtkämpfe einzuschränken. Deshalb wird sich erst nach der Bildung von Fraktionen genau zeigen, welche politische Strömung wie stark vertreten ist.
Es ist erst das zweite Parlament in Libyens Geschichte, das nun - drei Jahre nach dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi - gesetzgeberisch tätig werden will. Wieviel Einfluss die Volksvertreter letztlich gegenüber den außer Kontrolle geratenen Milizen haben werden, ist mehr als offen. Am Wahltag hatten viele Libyer noch gehofft, dass dies ein Schritt zur Demokratisierung des Landes sein könnte.