China klagt gestürzten Spitzenpolitiker Bo Xilai an

Peking (dpa) - Einst war Bo Xilai der aufsteigende Stern der Kommunistischen Partei Chinas. Jetzt droht ihm lebenslange Haft. Die Anklage lautet auf Korruption und Amtsmissbrauch. Der 64-Jährige scheint ungebeugt.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Politbüromitglied „Bestechlichkeit, Unterschlagung und Machtmissbrauch“ vor. Die Anklageschrift gegen den 64-Jährigen sei beim Volksgericht in der Stadt Jinan eingereicht worden, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Die Anklageerhebung ebnet den Weg für den politisch heiklen Prozess, der schon im August beginnen kann.

Der juristische Abschluss des Politkrimis, der das Milliardenvolk seit mehr als einem Jahr in Atem hält, ist eine knifflige Aufgabe für den neuen Staats- und Parteichef Xi Jinping. Als früherer Hoffnungsträger der linkskonservativen Kräfte genießt der charismatische Bo Xilai bis heute Unterstützung in der Partei. Der Prozess bietet dem neuen Präsidenten allerdings auch die Chance, seine Entschlossenheit zu demonstrieren, in seinem Korruptionskampf „sowohl gegen Fliegen als auch Tiger“ vorzugehen.

Der Prozess schreibt das letzte Kapitel in dem größten Skandal in der jüngeren Geschichte der Partei. Die Anklageschrift beschuldigt den Ex-Politstar „schwerer Verbrechen“. Bo Xilai habe „extrem hohe Summen an Geld und Besitz“ als Bestechung angenommen, zitierte Xinhua aus der Anklage. Er habe seine Stellung ausgenutzt, um anderen Vorteile zu verschaffen. Auch habe Bo Xilai „große Mengen öffentlicher Gelder unterschlagen und seine Macht missbraucht“. Die Interessen des Staates und Volkes seien schwer geschädigt worden.

Eine Verurteilung ist dem Sohn des Revolutionsführers Bo Yibo zwar sicher, doch läuft das Verfahren keineswegs reibungslos. Noch kurz vor seinem Sturz im März 2012 hatte Bo Xilai die Korruptionsvorwürfe gegen seine Familie kämpferisch zurückgewiesen. Er habe sich auch geweigert, mit den Ermittlern zu kooperieren, zitierte das „Wall Street Journal“ mehrere Quellen, die mit dem Fall vertraut seien. Ein solcher Mangel an Kooperation durch den Angeklagten lässt in China in der Regel eine besonders hohe Strafe erwarten.

Dem 64-Jährigen drohen zwischen 15 Jahren und lebenslanger Haft. Möglich wäre sogar die Todesstrafe, die Beobachter angesichts seiner Stellung als „Prinzling“ einer verdienten und einflussreichen Familie aber für unwahrscheinlich halten. Um das dunkle Kapitel in der Parteigeschichte endlich abzuschließen, soll das Urteil vor dem wichtigen Plenum des Zentralkomitees im Herbst fallen, wo die neue Führung die Weichen für die Zukunft des Landes stellen will.

In dem Prozess geht es um Unterschlagung und Bestechlichkeit in Millionenhöhe. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs bezieht sich auch auf den Umgang mit dem Mord an dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood durch Bos Frau Gu Kailai, der den Fall ins Rollen gebracht hatte. Seine Frau war im August vergangenen Jahres wegen Mordes an dem Familienfreund zu einer Todesstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Die Strafe wird in China meist in lebenslange Haft umgewandelt.

Der ehrgeizige Bo Xilai galt im Zuge des Generationswechsels in der Partei im vergangenen Jahr als aussichtsreicher Kandidat für einen Aufstieg in die neue Führungsmannschaft. Er hatte schon eine steile Karriere hinter sich. Der frühere Bürgermeister der Hafenstadt Dalian, Provinzgouverneur von Liaoning und Handelsminister gehörte zuletzt als Parteichef der 30-Millionen-Metropole Chongqing dem 25-köpfigen Politbüro an, dem engsten Machtzirkel der Partei.

Im Februar 2012 überwarf sich aber sein Polizeichef und enger Vertrauter Wang Lijun mit ihm und packte aus. Der „Super-Bulle“ enthüllte Korruption und den Giftmord an dem Briten, der geholfen haben soll, Familienvermögen ins Ausland zu bringen. Bo Xilai war auch beschuldigt worden, den Mord vertuscht zu haben.