Dalai Lama bereitet sein Erbe vor
Der geistliche Führer der Tibeter will nicht länger Chef der Exilregierung sein. Das Volk soll den Nachfolger erstmals wählen.
Dharamsala. Er wird von seinen Anhängern vergöttert, vom Westen geachtet und bewundert, von der chinesischen Führung gehasst. Jahrzehntelang hat sich der Dalai Lama unermüdlich für die Belange Tibets eingesetzt, er ist um die Welt gereist und hat für die Autonomiebestrebungen Tibets geworben.
Jetzt hat der 75-Jährige seinen Rückzug als oberster Führer der tibetischen Exilregierung angekündigt. „Seit den 1960er Jahren wiederhole ich immer wieder, dass die Tibeter einen Anführer brauchen, der frei vom Volk gewählt wurde und dem ich meine Macht übergeben kann“, sagte er. „Heute ist die Zeit gekommen, dies umzusetzen.“ Er werde das tibetische Exilparlament kommende Woche bitten, ihm einen Rücktritt zu ermöglichen.
Seine tatsächliche politische Macht war ohnehin beschränkt. Der Mann, der stets in buddhistischer Mönchstracht auftritt, hatte vor allem als spiritueller Führer der Tibeter großen Einfluss. Als „seine Heiligkeit“ wird der Dalai Lama weiter um die Welt touren. Eine Funktion, die er innehat, seit er denken kann: Bereits als Dreijähriger wurde der 1935 als Lhamo Dhondrub geborene Sohn armer Bauern als Reinkarnation des Dalai Lama entdeckt. Im Februar 1940 zog er als 14. Dalai Lama in den Potala-Palast in Lhasa ein. Gerade 15 Jahre alt war er, als er 1950 den Einmarsch der chinesischen Armee in Tibet erlebte und eilig zum weltlichen Führer Tibets ernannt wurde.
1959 schlug China einen Aufstand blutig nieder und brach sein Versprechen, den Tibetern Autonomie zu gewähren. Für den Dalai Lama wurde es gefährlich. Der 24-Jährige floh mit Gefolge ins indische Dharamsala, bis heute Sitz seiner Exilregierung.
Seitdem kämpft er für eine friedliche Lösung der Tibet-Frage. Von einer Unabhängigkeit spricht er nicht, ihm schwebt eine begrenzte Autonomie vor. China bezichtigt ihn dennoch, eine Abspaltung Tibets zu betreiben. Seine Ankündigung, die Leitung der Exilregierung abzugeben, beschied eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking mit den Worten, es handle sich um einen „Trick“, um die Staatengemeinschaft zu täuschen.
Mit seinem politischen Rückzug will der Dalai Lama möglicherweise für seinen Tod vorsorgen. Die Kommunistische Partei hatte angekündigt, dass sie selbst die nächste Reinkarnation des Dalai Lama aussuchen wolle. Der amtierende Dalai Lama versucht gegenzusteuern. Er sagte, dass er vielleicht mit den Traditionen brechen müsse. Er erwähnte als Möglichkeit, dass seine Wiedergeburt nicht unbedingt gefunden werden müsse. Oder er werde sie zu Lebzeiten selbst bestimmen.