Deutsche zu Ausreise aus Libyen aufgerufen
Washington/Tripolis (dpa) - Die Lage in Libyen wird immer gefährlicher. Wegen der heftigen Kämpfe rivalisierender Milizen in Tripolis verlassen die Mitarbeiter der US-Botschaft das Land. Deutschland und mehrere andere europäische Staaten rufen ihre Bürger auf, sofort aus dem Land auszureisen.
Libyen wird für Ausländer immer gefährlicher. Wegen anhaltender Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen und der Gefahr von Entführungen ruft das Auswärtige Amt alle Deutschen auf, das nordafrikanische Land sofort zu verlassen. Die Lage sei extrem unübersichtlich und unsicher, hieß es in einer am Wochenende aktualisierten Reisewarnung des Ministeriums. Auch mehrere andere europäische Staaten richteten solche Aufrufe an ihre Bürger. Die USA zogen in der Nacht zum Samstag ihr Botschaftspersonal aus der Hauptstadt Tripolis ab.
Nach einem Bericht des Senders CNN verließen etwa 150 Angehörige der diplomatischen Vertretung die Stadt in einem Autokonvoi in Richtung Tunesien. Die Botschaft habe einfach nicht mehr „sicher operieren“ können, wurden US-Beamte zitiert.
Das US-Botschaftsgebäude ist nicht weit vom internationalen Flughafen entfernt, um dessen Kontrolle die Milizen kämpfen. Dabei kamen bereits Dutzende Menschen um, der Flughafen wurde stark beschädigt. Bei den Milizen handelt es sich um ehemalige Revolutionsbrigaden, die 2011 am Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi beteiligt waren. Sie weigern sich bis heute, ihre Waffen abzugeben.
Das Auswärtige Amt in Berlin warnt inzwischen vor Reisen nach Libyen. Landesweit, vor allem jedoch in den Großräumen Bengasi und Derna, bestehe ein erhöhtes Entführungsrisiko für Ausländer. Details zu Sicherheitsvorkehrungen für die Botschaft nannte eine Ministeriumssprecherin am Sonntag auf dpa-Anfrage jedoch nicht. „Wir beobachten die Situation sehr aufmerksam“, sagte sie.
Großbritannien, Spanien und die Niederlande riefen ihre Bürger inzwischen ebenfalls auf, das Land sofort zu verlassen. Frankreich rat von Reisen nach Libyen ab; Franzosen dort sollten sich darauf einrichten, dass der Luftraum über dem Land geschlossen werde, hieß es in Paris.
Das Personal an der österreichischen Botschaft wurde laut dem Außenministerium in Wien bereits in den vergangenen Tagen auf „ein Minimum“ reduziert. Es seien bereits alle Vorbereitungen für einen eventuellen vollständigen Abzug getroffen, sagte Sprecher Martin Weiss der Nachrichtenagentur APA. Auch die Briten haben bereits Teile ihres Botschaftspersonals abgezogen. Die Schweizer Botschaft solle geöffnet bleiben, hieß am Samstag vom Außendepartement in Bern. Vor zwei Wochen hatte bereits die UN-Mission in Libyen (Unsmil) ihre Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen abgezogen.
In einer Erklärung des US-Außenministeriums heißt es, die Evakuierung sei eine „vorübergehende“ Maßnahme, bis die Sicherheitslage sich wieder verbessere. Das Botschaftspersonal werde vorerst von Washington und anderen Orten in der Region aus weiterarbeiten. Das Ministerium warnte US-Staatsbürger erneut vor Reisen nach Libyen. Wer sich zurzeit dort aufhalte, solle das Land „unverzüglich“ verlassen.
Im September 2012 waren der US-Botschafter Christopher Stevens und drei weitere Diplomaten bei einem Überfall auf das Konsulat in Bengasi getötet worden. Der mutmaßliche Drahtzieher, Ahmed Abu Chattalah, wurde im Juni von einem US-Kommando nahe der östlichen Stadt gefasst und in die USA gebracht.
In Malta wurden derweil Notlager eingerichtet, um aus Libyen geflohene Menschen aufnehmen zu können. „Wir sind auf alles vorbereitet“, sagte der zuständige Behördenleiter, Mario Cutajar, in Valletta. Während des Aufstands gegen Gaddafi im Arabischen Frühling hatten in Malta schon einmal Tausende in Libyen arbeitende Ausländer Zuflucht gesucht.
Die jüngste Gewalt am Flughafen Tripolis war vor gut zwei Wochen ausgebrochen. Der internationale Airport stand unter Kontrolle von Kämpfern aus der Stadt Al-Sintan und wurde von einer islamistischen Brigade aus Misrata angegriffen. Die Kämpfe in der Umgebung dauerten am Wochenende weiter an: Laut ägyptischer Nachrichtenagentur Mena schlug eine Grad-Rakete in ein von Ägyptern bewohntes Gebäude ein und tötete 23 Arbeiter.
Im Osten Libyens kämpft der pensionierte Generalmajor Chalifa Haftar seit Mitte Mai gegen islamische Extremisten. Die meisten dieser Kämpfe gibt es in Bengasi, wo im Februar 2011 der Aufstand gegen Gaddafi begann. Dort wurde ebenfalls weitergekämpft. Mediziner meldeten am Sonntag nach Angaben des Nachrichtensenders Al-Arabija mindestens 38 Tote innerhalb von 24 Stunden.