Verfahrensfehler Deutschland holt abgeschobenen Afghanen zurück

Wegen eines Verfahrensfehlers muss das Bundesamt für Migration einen bereits abgeschobenen Afghanen aus Kabul zurückholen. Schon innerhalb von zehn Tagen könnte Haschmatullah F. wieder in Deutschland sein.

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Kabul/Islamabad/Sigmaringen. Die Bundesregierung holt in den kommenden Tagen einen abgeschobenen Asylbewerber aus Afghanistan zurück. Grund ist ein Verfahrensfehler.

Zunächst habe er am 11. Dezember einen Termin für ein Visum bei der deutschen Botschaft in Pakistan, erzählte Haschmatullah F. der Deutschen Presse-Agentur bei einem Treffen in der afghanischen Hauptstadt Kabul in dieser Woche. Die Botschaft in Kabul kann ihm da nicht helfen - sie war bei einem Bombenanschlag am 31. Mai so schwer beschädigt worden, dass sie geschlossen wurde. Der Botschafter und ein kleines Team arbeiten zurzeit in der Vertretung der USA.

Eine Sprecherin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das für die Organisation der Rückführung zuständig ist, sagte: „Die Rückholung des Asylbewerbers wird in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt weiter betrieben.“ Ob dies der erste Fall dieser Art ist, konnte sie zunächst nicht bestätigen.

Bisher weiß F. nicht, wie er nach Pakistan kommt, wie er die Botschaft findet und für wann sein Flug nach Deutschland geplant ist. Aber er „gehe zurück zu einem neuen Leben. Ich bin wirklich glücklich“, sagte er. „Hier in Afghanistan habe ich keinen Platz zum Leben.“ Er hofft, dass er nach Tübingen zurückgehen kann, wo er im Sommer einige Monate gelebt hat.

Wie sein Anwalt Markus Niedworok der dpa sagte, war Haschmatullah F. am 3. Juni in Deutschland angekommen. Am 8. Juni hatte er Asyl beantragt, war aber abgelehnt worden mit dem Verweis, dass er über Bulgarien in die EU gekommen sei und gemäß der sogenannten Dublin-Vorschriften Bulgarien für sein Asylverfahren zuständig sei. Gegen diese Entscheidung hatte Niedworok am 2. August am Verwaltungsgericht Sigmaringen Einspruch eingelegt.

„Solange so ein Eilantrag in der Welt ist, darf nicht abgeschoben werden“, sagte Niedworok - aber die Information über das laufende Verfahren sei zwischen Gericht und dem BAMF wohl verloren gegangen. Das BAMF gab die Abschiebung von F. nach Bulgarien frei. Das Gericht ordnete daraufhin an, dass er zurückgebracht werden müsse. Aber da hatten die bulgarischen Behörden ihn schon nach Afghanistan geflogen.

In einem nächsten Schritt ist nun für den 21. Dezember in Sigmaringen ein Verfahren angesetzt, in dem endgültig geklärt werden soll, ob Deutschland oder Bulgarien für den Fall zuständig ist. Der Sprecher des Gerichts, Otto-Paul Bitzer, sagte, dass Gerichte oft gegen Abschiebungen nach Bulgarien entschieden, weil es „Bedenken gibt, ob Bulgarien die europäischen Mindeststandards für Asylverfahren“ erfülle. F. sagte, er sei in Bulgarien gezwungen worden, sich zur freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan bereit zu erklären. Man habe ihn geschlagen. Nachprüfbar waren diese Angaben zunächst nicht.

F.s Anwalt Niedworok sagte: „Sollte Deutschland für ihn zuständig sein, dann würde das normale Asylverfahren beginnen.“ Welche Chancen das haben würde, ist noch unklar.

Haschmatullah F. erzählt, er sei geflohen, weil er im Militär war und die Taliban ihn dafür bedroht hätten. „Ich bekam Drohbriefe, und dann wurden mein Bruder und sein Vater angegriffen, weil ich weiter Soldat war“, sagte er. Als er einmal auf Heimaturlaub in der Provinz Kapisa war, hätten Taliban eine Handgranate in sein Haus geworfen.

Ob die Geschichte so stimmt, ist zunächst nicht nachprüfbar. Dass die Taliban Sicherheitskräfte bedrohen, ist nicht neu. Die „New York Times“ hat jüngst über eine Einschüchterungskampagne gegen Soldaten und deren Familien berichtet, die in manchen Provinzen die Rekrutierung um bis zu 50 Prozent einbrechen lässt. Die Streitkräfte erleiden außerdem Rekordverluste. Bei Kämpfen mit den Taliban, die heute wieder etwa 13 Prozent des Landes kontrollieren oder beeinflussen, waren 2016 mehr als 8000 Soldaten und Polizisten getötet und mehr als 14.000 verletzt worden.

F. erzählt, dass er sich seit seiner Abschiebung in Kabul versteckt habe. Sein Bruder habe ihm beim Überleben geholfen. Er hofft, dass er diesmal in Deutschland bleiben kann. „Diesmal will ich besser Deutsch lernen, Arbeit finden, Steuern zahlen und der deutschen Regierung dienen, die so freundlich zu mir ist.“ dpa