Drei Tote bei mutmaßlichem Nato-Luftangriff
Brüssel/Tripolis/Kairo (dpa) - Libyen hat die Nato beschuldigt, bei einem Luftangriff auf Tripolis am frühen Sonntagmorgen drei Zivilisten getötet zu haben. Die Nato teilte mit, sie prüfe den Vorfall.
„Die Nato würde es bedauern, wenn die Prüfung ergäbe, dass der Vorfall auf einem Waffeneinsatz der Nato beruht“, heißt es in einer Erklärung des Bündnisses in Brüssel. Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi verschärften indes am Wochenende ihre Angriffe auf Rebellenstellungen nahe der westlichen Stadt Nalut.
Die staatliche Nachrichtenagentur Libyens hatte berichtet, bei einem Luftangriff der Nato sei am frühen Sonntagmorgen ein Wohnhaus getroffen und zerstört worden. Ausländische Journalisten wurden noch in der Nacht zum Ort des Geschehens geführt und konnten die Bergung einer Leiche aus einem Wohnhaus sehen. Zahlreiche Nachbarn halfen bei den Bergungsarbeiten. Später wurde den Reportern in einem Krankenhaus die Leiche eines Kleinkindes gezeigt.
„Wir nehmen alle Berichte über zivile Opfer sehr ernst und wir werden die Prüfung der Fakten hinsichtlich des fraglichen Zwischenfalls fortsetzen“, heißt es in der Nato-Erklärung. Das Bündnis tue „alles, um die libysche Bevölkerung vor der Gewalt des Regimes von Gaddafi zu schützen“. Seit Beginn der Militäreinsätze am 31. März seien mehr als 4400 Kampfeinsätze gegen militärische Ziele in Libyen geflogen worden. Die Nato plane die Einsätze „mit Präzision und mit einer hohen Genauigkeitsrate“. „Dies ist ein weiterer Beweis für die Brutalität der Nato“, erklärte hingegen der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim.
Bündnis-Sprecher Mike Bracken sagte der britischen BBC, Nato-Flugzeuge hätten eine Luftabwehrraketen-Stellung im Norden von Tripolis bombardiert. Die Nato teilte mit, sie habe eine Reihe von Zielen in und um Tripolis angegriffen. In der Nähe der Hauptstadt seien auch ein Befehlszentrum, zwei Depots von Militärfahrzeugen, ein Raketenwerfer, vier Artilleriegeschütze und zwei Abschussrampen für Boden-Luft-Raketen getroffen worden.
Wenige Stunden zuvor hatte die Brüsseler Nato-Zentrale bereits einen anderen Vorfall bedauert. Am Donnerstag hatten Nato-Flugzeuge nahe der ost-libyschen Stadt Al-Brega versehentlich Panzer und andere Militärfahrzeuge der Gaddafi-Gegner beschossen. In einer „besonders komplizierten und dynamischen Gefechtsfeldsituation“ habe man sie irrtümlich für eine Fahrzeugkolonne der Gaddafi-Truppen gehalten. Nach Rebellen-Angaben waren 16 Aufständische verletzt worden.
Gaddafi-Truppen griffen derweil Rebellenstellungen nahe der westlichen Stadt Nalut an. Ein Reporter des Fernsehsenders Al-Dschasira berichtete am Samstag von schweren Kämpfen am Rand der strategisch wichtigen Stadt unweit der Grenze zu Tunesien. Die Aufständischen hätten ihre Positionen aber behauptet, sagte der Reporter.
Die Rebellen kontrollieren den gesamten Kamm des Nafusa-Gebirges, der von der tunesischen Grenze bis 80 Kilometer vor die Hauptstadt Tripolis reicht. Die Gaddafi-Truppen versuchen seit Wochen, bei Nalut eine Bresche in das Aufständischen-Gebiet zu schlagen. Damit wollen sie die für die Rebellen lebenswichtige Nachschublinie aus Tunesien unterbrechen.