Entsetzen über Massaker an Zivilisten in Afghanistan
Kabul/Masar-i-Scharif (dpa) - Das Massaker eines US-Soldaten an Zivilisten hat in Afghanistan Wut, Entsetzen und harte Kritik an den ausländischen Truppen ausgelöst. Das Parlament in Kabul erteilte den internationalen Soldaten eine scharfe Warnung.
„Die Toleranzgrenze des afghanischen Volkes ist erreicht“, hieß es in einer am Montag verabschiedeten Mitteilung des Unterhauses (Wolesi Dschirga). Bei einem Blitzbesuch am Hindukusch kondolierte Bundeskanzlerin Angela Merkel der afghanischen Regierung.
Vom Bundeswehr-Feldlager im nordafghanischen Masar-i-Scharif aus telefonierte Merkel am Montag mit Präsident Hamid Karsai. Dabei drückte sie dem Präsidenten ihr persönliches Beileid und das der deutschen Bevölkerung anlässlich der „schrecklichen Tat des US-Soldaten“ aus.
Nach afghanischen Regierungsangaben hatte ein inzwischen festgenommener US-Soldat in der Nacht zu Sonntag in der südafghanischen Provinz Kandahar 16 Zivilisten ermordet. Darunter waren neun Kinder und drei Frauen.
Die Taliban kündigten Vergeltung für das Massaker an. „Das Islamische Emirat“ versichere den Hinterbliebenen, „dass es sich an den Invasoren und brutalen Mördern für jeden einzelnen Märtyrer rächen wird“, teilten die Aufständischen auf ihrer Homepage mit.
Die Internationale Schutztruppe Isaf sicherte zu, dass der Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werde. Das Massaker sei „in seinem dramatischen Ausmaß ein Einzelfall“. US-Präsident Barack Obama hatte sich „tief betrübt“ über den Vorfall gezeigt. „Dieser Zwischenfall ist tragisch und schockierend“, teilte er in Washington mit. Präsident Hamid Karsai sprach von einem „unverzeihlichen Verbrechen“. Knapp drei Wochen nach den Koranverbrennungen durch US-Soldaten belastete der neuerliche Vorfall das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Kabul und Washington.
Die „New York Times“ zitierte am Montag in ihrer Online-Ausgabe Dorfbewohner, die sagten, der Unteroffizier sei von Tür zu Tür gegangen und schließlich in drei verschiedene Häuser eingedrungen. Dort habe er seine Opfer getötet und mehrere der Leichen verbrannt, darunter auch die von vier Mädchen im Alter von unter sechs Jahren.
Die „New York Times“ berichtete weiter, der Unteroffizier sei von seiner Basis im Unruhedistrikt Pandschwai aus mehr als eine Meile (1,6 Kilometer) weit zum Tatort gelaufen. Der mutmaßliche Einzeltäter habe sich anschließend ergeben. Bei ihm handele es sich um einen 38-jährigen Feldwebel, der verheiratet sei und zwei Kinder habe. Er sei seit vergangenem Dezember in seinem ersten Afghanistan-Einsatz. Zuvor sei er dreimal im Irak stationiert gewesen.
Nach Darstellung der Internationalen Schutztruppe Isaf handelte es sich bei dem Amokschützen um einen Einzeltäter. Das iranische Unterhaus forderte am Montag von der US-Regierung, „die Täter sobald wie möglich in einem öffentlichen Gericht in Afghanistan unter Beteiligung des afghanischen Volkes zu bestrafen“. Damit solle all jenen eine Lektion erteilt werden, „die das Blut von Afghanen unter irgendeinem Vorwand vergießen“.