Geplantes Präsidialsystem Erdogan soll künftig per Dekret regieren können
Istanbul (dpa) - Staatschef Recep Tayyip Erdogan soll in dem von seiner Partei geplanten Präsidialsystem in der Türkei Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen können - wie im derzeit geltenden Ausnahmezustand.
Das kündigte der Ministerpräsident und AKP-Chef Binali Yildirim nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu an. Unter dem nach dem Putschversuch von Mitte Juli verhängten Ausnahmezustand kann Erdogan die Türkei fast uneingeschränkt per Dekret regieren.
Yildirims AKP und die kleinste Oppositionspartei MHP - deren Chef Devlet Bahceli ein Präsidialsystem unterstützt - haben gemeinsam genügend Stimmen im Parlament, um ein Referendum darüber in die Wege zu leiten. Die beiden anderen Oppositionsparteien im Parlament - die Mitte-Links-Partei CHP und die pro-kurdische HDP - warnen dagegen vor einer „Diktatur“. Auch in der EU wird Erdogans Machtzuwachs mit Sorge beobachtet. Yildirim rechnet mit einer Volksabstimmung über ein Präsidialsystem zu Beginn des nächsten Sommers. Der Entwurf soll aber bereits diese Woche ins Parlament eingebracht werden.
Yildirim sagte laut Anadolu, nach der geplanten Verfassungsreform solle der Präsident den Entwurf für den Haushalt der Regierung einbringen. Andere Gesetzesentwürfe sollten weiterhin vom Parlament kommen. Welche Angelegenheiten durch Dekret des Präsidenten und welche durch Gesetze des Parlaments geregelt würden, werde in dem Entwurf für die Verfassungsänderung dargelegt. Außerdem solle der Präsident künftig einer Partei angehören dürfen. Bislang schreibt die Verfassung dem Staatschef parteipolitische Neutralität vor.
Die Zeitung „Hürriyet“ (Dienstag) berichtete, dem Präsidenten solle künftig nicht nur eine Parteimitgliedschaft, sondern auch die Übernahme eines Parteivorsitzes erlaubt werden. Der Präsident und das Parlament sollten künftig zum selben Termin für jeweils fünf Jahre gewählt werden. Die Amtszeit des Präsidenten solle auf zwei Legislaturperioden beschränkt werden.
Yildirim hatte vor seiner Abreise bekräftigt, dass seine AKP den Entwurf für die Verfassungsänderung noch in dieser Woche ins Parlament einbringen wolle. Das werde nach seiner für Mittwoch geplanten Rückkehr aus Moskau geschehen. Er und MHP-Chef Bahceli arbeiteten noch an „technischen Details des Verfassungsentwurfs“.
Die islamisch-konservative AKP und die ultranationalistische MHP haben gemeinsam 356 Stimmen im Parlament. Eine 60-Prozent-Mehrheit von 330 Stimmen wäre für ein Referendum nötig. Mit einer Zweidrittelmehrheit (367 Sitze) wäre eine Verfassungsänderung auch ohne Referendum möglich. Yildirim und Erdogan haben aber angekündigt, in jedem Fall das Volk abstimmen zu lassen. Der Ausnahmezustand gilt derzeit bis Mitte Januar, kann aber weiter verlängert werden.
Seit seinem Amtsantritt im August 2014 bestimmt Erdogan den Kurs der Regierung und der AKP, obwohl diese Rollen in der Verfassung eigentlich dem Ministerpräsidenten und Parteichef vorbehalten sind. Mit der Verfassungsänderung soll Erdogans Führung legalisiert werden. Erdogan strebt seit langem ein Präsidialsystem an.
Fast fünf Monate nach dem Putschversuch in der Türkei wurde unterdessen einer der wichtigsten Berater von Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (CHP) festgenommen. Der Informatiker Fatih Gürsul sei am Dienstag in der Hauptstadt Ankara im Zuge der Ermittlungen gegen die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen festgenommen worden, meldete Anadolu. Erdogan macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich.