EU-Gipfel: Notfall-Ambulanz für Pleitestaaten

Damit die Währungsunion nicht ins Straucheln gerät, gibt es ab 2013 für Wackelkandidaten eine Hilfe. Doch die ist umstritten.

Brüssel. Europa steht vor großen Veränderungen. Kein Euro-Staat soll Pleite gehen können. Das beschlossen die 27 Regierungs- und Staatschefs der EU-Länder auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel. Dazu ändern sie den EU-Vertrag von Lissabon.

Das Wichtigste: Sie ist kurz. Zwei Sätze besagen, dass die Euro-Länder eine Notfall-Hilfe ab Mitte 2013 einrichten, um Pleitekandidaten rauszupauken, wenn die gesamte Währungsunion wackelt. Solch ein Zusatz kann im abgekürzten Verfahren in den Vertrag eingefügt werden: EU-Parlament, EU-Kommission und Europäische Zentralbank nehmen Stellung, dann verabschieden die Staats- und Regierungschefs im März den Passus. Die nationalen Parlamente haben anderthalb Jahre zur Ratifizierung. Referenden sind nicht nötig. Der Haftungsausschluss für Schulden anderer Länder bleibt. Das ist kein rechtlicher Widerspruch zur Krisenhilfe, sagt die Bundesregierung. Man wird sehen, ob diese Rechtsauffassung vor Gericht standhält.

Eine Flucht unter den Rettungsschirm ist nur möglich, wenn dies unerlässlich für den Schutz des Euro ist. Die Hilfen müssen einstimmig gebilligt werden.

Experten bewerten diesen Krisenmechanismus unterschiedlich. „Europa wird zur Transfer-Union“, moniert der Tübinger Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty, der einst erfolglos gegen die Euro-Einführung klagte. Wer ordentlich wirtschafte, müsse dem, der schlecht wirtschafte, mit Geld aushelfen. Die EU-Sorgenländer hätten nicht nur zu viel Schulden, sondern ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt verloren. Starbatty sagt: „Diese Länder sollten eine Auszeit von der Währungsunion nehmen.“

Ganz anderer Ansicht ist Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Umverteilungen in der EU seien gut. „Wenn man gemeinsam zu einem Wirtschaftsraum gehört, muss man Probleme gemeinsam lösen“, sagt Horn. Deutschland profitiere davon, wenn es ganz Europa gut geht. Schließlich gingen mehr als 60 Prozent der deutschen Exporte in EU-Staaten — und 42 Prozent in die 16 Länder, die den Euro eingeführt haben.

Die EZB verdoppelt ihr Grundkapital angesichts ihrer Käufe von Staatsanleihen auf mehr als zehn Milliarden Euro. Einige Bankbeobachter werten das als Zeichen der Unabhängigkeit gegenüber den Staaten: Die Währungshüter zeigten, dass ihre — umstrittene — Hilfe nicht umsonst sei. Ökonom Horn betont, die Hauptaufgabe der EZB sei aber, die Inflation niedrig zu halten. „Man müsste daher ihre Aufgaben anpassen, die EZB ist ja letztlich die Garantin des Euro.“ Starbatty sieht das kritischer: „Die EZB kauft gesetzeswidrig Staatsanleihen.“