EU will im Juni Militäreinsätze gegen Schleuser starten
Brüssel (dpa) - Die EU will schon im Juni den Militäreinsatz gegen Schleuserbanden aus Libyen starten. Zuerst sollen nach einem Beschluss der Außen- und Verteidigungsminister so schnell wie möglich alle Aufklärungsinstrumente genutzt werden, um die Aktivitäten der Menschenschmuggler genau nachzuvollziehen.
Danach will die EU damit beginnen, auf See Schleuser-Schiffe zu durchsuchen und zu beschlagnahmen. In einer dritten Phase könnte es Militäreinsätze in libyschen Häfen oder an Land geben.
„Wir wissen, dass die Mission keine Antwort ist, die das Flüchtlingsproblem in irgendeiner Form beseitigt“, kommentierte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Beschluss. Die EU müsse sich aber auch mit dem Thema Schleuserkriminalität auseinandersetzen. „Die deutsche Marine wird sich mit Sicherheit an der Phase eins beteiligen“, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Deutschland ist bereits mit zwei Kriegsschiffen im Mittelmeer im Einsatz.
Der offizielle Startschuss für den Einsatz soll am 22. Juni bei der nächsten Tagung der EU-Außenminister erfolgen. Das Hauptquartier für die EU-Mission wird in Rom eingerichtet und von dem italienischen Konteradmiral Enrico Credendino geführt. Aus dem gemeinsamen EU-Etat stehen für die zweimonatige Anfangsphase knapp zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Aufklärungsinstrumente könnten neben Radaranlagen auf Schiffen auch Satelliten, Drohnen und Telefonabhöranlagen sein.
Um das Konzept komplett umzusetzen, soll nach derzeitigem Stand der Planungen der UN-Sicherheitsrat zustimmen. Eine Resolution wird derzeit unter Federführung Großbritanniens vorbereitet. Zudem ist vorgesehen, das Einverständnis der libyschen Behörden einzuholen. „Ich habe zumindest keinen größeren politischen Widerstand gesehen“, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montag zu ihren jüngsten Gesprächen mit Vertretern des UN-Sicherheitsrates.
Über das nordafrikanische Bürgerkriegsland Libyen werden Schätzungen zufolge 80 Prozent des illegalen Menschenschmuggels über das Mittelmeer abgewickelt. Auf Bootsfahrten von Libyen in Richtung Europa starben in den vergangenen Jahren Tausende Menschen. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres kamen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 1780 Flüchtlinge ums Leben. Die meisten Migranten kommen in Italien an, das den Ansturm kaum noch bewältigen kann.
In der deutschen Bundesregierung sind die Pläne umstritten. Entwicklungsminister Gerd Müller sprach sich gegen Militäreinsätze aus. „Schleuserboote aus dem Verkehr ziehen ja, das aber ohne militärische Operationen. Dies birgt zu viele Risiken und löst die eigentlichen Probleme nicht“, sagte der CSU-Politiker der „Passauer Neuen Presse“ (Montag).
Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, mahnten, die Krisen in den Herkunftsstaaten der Flüchtlinge seien nicht mit Zäunen an den EU-Außengrenzen oder Patrouillenbooten im Mittelmeer zu lösen. „Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge“, schrieben sie in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag).
Deutsche Soldaten werden sich länger als ursprünglich geplant an der Seenotrettung im Mittelmeer beteiligen. „Ich kann zusagen, dass die deutsche Marine (...) bis auf Weiteres unbegrenzt zur Seenotrettung in dem Gebiet bleiben wird“, sagte Verteidigungsministerin von der Leyen bei dem EU-Ministertreffen in Brüssel. Zunächst war nur ein Einsatz von 30 Tagen angekündigt gewesen.
Die Fregatte „Hessen“ und das Versorgungsschiff „Berlin“ starteten am 5. Mai in den Einsatz. Nach Angaben der Ministerin haben sie bereits über 700 Menschen gerettet. Die Soldaten haben nach Bergungsaktionen zudem bereits mehrere führerlose Schleuserboote versenkt, um zu verhindern, dass sie zu einem Hindernis für andere Schiffe werden.