Flüchtlingsdrama: Italienische Gesetze stellen die Seenothilfe unter Strafe
Kapitäne machen sich der Beihilfe zur „illegalen Einwanderung“ schuldig. Bislang sind 213 Leichen geborgen.
Lampedusa. Giusi Nicolini ist vielleicht die frenetischste Frau auf Lampedusa in diesen Tagen. Die 51-jährige Bürgermeisterin war es, die die Öffentlichkeit als erstes von der Katastrophe informierte.
Am Montag waren 213 Leichen geborgen. Doch immer noch stecken Leichen im Bauch des Schiffes fest, das am Donnerstag nur 800 Meter vor der Insel sank. Mehr als 350 Tote, meist Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia, sind zu befürchten.
Jüngst war Integrationsministerin Cécile Kyenge zu Besuch. Die Ministerin weinte beim Anblick der vielen Särge. Später ließen die beiden Frauen ihrem Frust freien Lauf. „Ich schäme mich, Italienerin zu sein“, sagte Nicolini angesichts der Zustände im Auffanglager.
250 Betten stehen dort bereit, derzeit befinden sich 1000 Menschen in dem abgezäunten Areal, darunter auch die 155 Überlebenden der Katastrophe. Manche schliefen auf den Bäumen, obwohl es nachts regnet. Den 100 Frauen und Kindern steht eine einzige Toilette zur Verfügung. „Die Repression muss ein Ende haben“, sagte Kyenge.
Die sind eine Folge der Gesetzeslage in Italien. Menschen, die ohne Erlaubnis italienischen Boden betreten, machen sich seit 2002 der „illegalen Einwanderung“ strafbar. Auch gegen die 155 Überlebenden des Unglücks auf Lampedusa wird ermittelt.
Verheerende Folgen könnte auch gehabt haben, dass sich Kapitäne der Beihilfe zur „illegalen Einwanderung“ strafbar machen, wenn sie Schiffbrüchige retten und an Land bringen. Auch bei diesem Unglück sollen Kutter an dem Flüchtlingsschiff vorbei gefahren sein, ohne zu helfen.
Nicolini, die diese Zeugenberichte zuerst verbreitet hatte, widersprach dieser Vermutung jetzt. „Die Fischer von Lampedusa lassen Migranten nicht im Meer sterben“, sagte sie und forderte die Aufhebung der rigiden Gesetze.
Derweil gerät Deutschland unter steigenden Druck, zusätzliche Schutzsuchende aufzunehmen. Flüchtlinge müssten gerechter auf die Mitgliedsländer verteilt werden, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). „Das heißt auch, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen muss.“