FPÖ ficht Präsidentenwahl in Österreich an
Wien (dpa) - Die Wahl des Staatsoberhaupts in Österreich muss möglicherweise wiederholt werden. Die rechte FPÖ hat die Wahl wegen zahlreicher Hinweise auf „Unregelmäßigkeiten, Ungereimtheiten und Pannen“ beim Verfassungsgerichtshof angefochten.
Das Gericht muss nun binnen vier Wochen entscheiden, ob der unterlegene Bewerber der Rechtspopulisten, der 45-jährige Norbert Hofer, eine zweite Chance erhält.
Bei der Stichwahl am 22. Mai hatte der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen am Ende nur rund 30 000 Stimmen mehr als Hofer. Insgesamt hatten sich fast 4,5 Millionen Österreicher an der Wahl des neuen Bundespräsidenten beteiligt.
Zu den Pannen sagte FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache: „Das Ausmaß ist mehr als erschreckend und mehr als relevant.“ In 94 von 117 Bezirkswahlämtern seien bei der Auszählung der Briefwahlstimmen Gesetzwidrigkeiten festgestellt worden. So seien in Dutzenden Fällen vor Eintreffen der Wahlkommission die Wahlkarten vorsortiert gewesen. Das betreffe nicht weniger als 573 275 Wahlkarten. Außerdem habe die Behörde Briefkarten mit Kuverts in der falschen Farbe verschickt, die dadurch ungültig wurden. „Man nimmt das mit offenem Mund und fassungslos zur Kenntnis“, so Strache, der seine Stellungnahme mit einer grundsätzlichen Kritik an der Briefwahl verband.
Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Wahlanfechtung bezeichnet FPÖ-Kandidat Hofer als „exorbitant hoch“. Freude habe er daran nicht, aber: „Wenn man das anerkennt, was vorgefallen ist, dann dreht es das Ergebnis.“
Den knappen Ausgang der Wahl angesichts der von der FPÖ aufgelisteten Vorfälle kommentierte Strache so: „Jeder hat ein komisches Gefühl. Niemand lässt das kalt. Ohne diese Pannen hätte Hofer Präsident werden können.“ Es gebe auch Hinweise, dass nicht wahlberechtigte Ausländer gewählt hätten.
Es mache keinen Sinn, die Stimmen der insgesamt mehr als 700 000 Briefwähler neu auszuzählen, meinte Strache weiter. Angesichts des Umfangs der Fehler komme nur eine Neuwahl infrage. „Ich halte Neuwahlen für sehr realistisch.“
Die Grünen, die ihren Ex-Chef Van der Bellen im Wahlkampf unterstützt hatten, zeigten sich demonstrativ unbeeindruckt. Etwaigen Pannen müsse nachgegangen werden, sagte der geschäftsführende Parlamentarier der Grünen, Dieter Brosz. Zugleich sah er ein taktisches Kalkül der FPÖ. „Wer wochenlang Weltverschwörungstheorien gezielt verbreitet, möchte sich zum Schluss nach einer Abweisung der Anfechtung durch den Verfassungsgerichtshof auch noch als Opfer darstellen können.“
Nicht erst bei dieser Wahl habe es große Probleme gegeben, kritisierte hingegen der FPÖ-Jurist und Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer. „Es gibt Schlampereien, die sich in den letzten Jahrzehnten eingebürgert haben.“ Die nun aufgedeckten Unregelmäßigkeiten seien nur die Spitze des Eisbergs.
Das Rennen um das Amt in der Hofburg war am 22. Mai so knapp, dass am Abend der Stichwahl noch kein Ergebnis verkündet werden konnte. In der Urnenwahl lag Hofer vorn. Erst die Auszählung der Briefwahlstimmen am Folgetag erbrachte für den 72-jährigen Wirtschaftsprofessor Van der Bellen ein Ergebnis von 50,3 Prozent und damit einen knappen Vorsprung.
Der neue Bundespräsident soll am 8. Juli vereidigt werden. Der amtierende Präsident und Sozialdemokrat Heinz Fischer scheidet nach zwei Amtsperioden verfassungsgemäß aus.