Gericht spricht Chirac schuldig
Frankreichs Ex-Staatschef erhält zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Paris. Es ist ein Novum in der Geschichte der Fünften Republik Frankreichs: Zum ersten Mal musste sich ein ehemaliges Staatsoberhaupt vor Gericht verantworten, und zum ersten Mal erging ein Schuldspruch.
Wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel und Vertrauensmissbrauch verurteilte ein Pariser Strafgericht den 79 Jahre alten Jacques Chirac zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung. Als Pariser Bürgermeister hatte er Scheinarbeitsstellen eingerichtet.
„Jacques Chirac war nicht der Rechtschaffenheit verpflichtet, die öffentliche Personen zeigen sollte“, schrieb der Vorsitzende Richter dem prominenten Verurteilten ins Stammbuch.
Während der Urteilsbegründung blieb Chiracs Platz auf der Anklagebank leer — so wie während des gesamten Prozesses. Die Verteidiger des Ex-Präsidenten hatten die Abwesenheit des 79-Jährigen mit „schweren Gedächtnisstörungen“ entschuldigt.
Nun steht fest: Chirac, der von 1977 bis 1995 Chef des Pariser Rathauses war, hat bis Anfang der 90er Jahre ein weit verzweigtes Netz von etwa 30 Schein-Jobs geschaffen. Die Begünstigten setzte er als „Beauftragte in offizieller Mission“ auf die Gehaltsliste des Rathauses. Doch in Wirklichkeit erledigten Chiracs Leute Jobs für seine Partei RPR.
Chirac hält sich trotz des Urteils für unschuldig. „Ich habe keine Fehler begangen, weder strafrechtliche noch moralische“, hieß es in einer Erklärung Chiracs, die seine Anwälte unmittelbar vortrugen. Sie erklärten, dass ihr Mandant das Urteil „gelassen“ aufgenommen habe. Chirac verzichtet auf eine Berufung gegen das Urteil.