Griechenland fordert EU-Sondergipfel - Berlin sagt nein
Athen/Brüssel (dpa) - Nach dem vorläufigen Scheitern der Gespräche über Griechenlands Sparprogramm fühlt sich das EU-Land wieder an Sommer 2015 erinnert - als eine Staatspleite unmittelbar bevorstand.
Um hektische Verhandlungen in letzter Minute zu vermeiden, forderte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras in einem Telefonat mit EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Sondergipfel der Euro-Staaten. Dazu solle es kommen, falls nicht bald die Eurogruppe über die griechische Finanzkrise berät.
Doch die Bundesregierung lehnt solch einen Sondergipfel strikt ab. Ohne eine Einigung auf das Spar- und Reformpaket kann kein frisches Geld des Eurorettungsschirms ESM nach Athen fließen - dann droht wieder die Staatspleite.
Auf die Frage, ob jetzt wieder die Staats- und Regierungschefs eine Lösung aushandeln müssten, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): „Die Antwort lautet Nein.“ Er verwies auf die Zuständigkeit der Eurogruppe: „Mir ist nichts anderes bekannt.“
Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht keine Notwendigkeit für einen EU-Sondergipfel, wie Regierungssprecher Steffen Seibert klar machte. Es gebe ein bewährtes Verfahren mit einer konkret festgelegten Rolle der Eurogruppe. „Daran halten wir fest.“ Zuvor hatte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem mitgeteilt, es werde kein Sondertreffen der Euro-Finanzminister an diesem Donnerstag geben.
Tusk verstärkte den Druck auf die Eurogruppe, erneute Unsicherheit für das hoch verschuldete Griechenland zu vermeiden. Es müsse einen Termin für ein baldiges Treffen geben, forderte Tusk. „Und ich spreche nicht von Wochen, sondern von Tagen.“ Tsipras und Tusk wollten an diesem Donnerstag erneut miteinander sprechen, teilte das Büro des griechischen Regierungschefs mit. Die griechische Regierungssprecherin Olga Gerovasili teilte zudem mit, die Gespräche mit der Gläubigern auf der technischen Ebene sollten noch am Mittwochnachmittag fortgesetzt werden.
Es geht um Sparmaßnahmen mit einem Umfang von zusammen rund neun Milliarden Euro. Ein schon länger debattiertes Reformpaket mit Rentenkürzungen mit einem Volumen von rund 5,4 Milliarden Euro gilt zwar als weitgehend vereinbart. Heftige Debatten gibt es hingegen noch um ein von der Eurogruppe gefordertes Extra-Sparpaket mit einem Umfang von 3,6 Milliarden Euro - es soll vorsorglich vereinbart und nur in die Tat umgesetzt werden, falls Budgetziele unerreicht bleiben.
Dieses Vorhaben könne Tsipras' Regierung politisch aber gar nicht schaffen, heißt es aus Regierungskreisen in Athen. Und es passe nicht zu dem, was mit den Europäern im Sommer vereinbart wurde. Athen schlägt eine Art „automatischen fiskalischen Stabilisator“ vor: Verfehle das Land sein Ziel beispielsweise um zehn Prozent, sollten demnach alle Staatsausgaben um zehn Prozent gekürzt werden. Die Gläubiger lehnen das ab und fordern konkrete Maßnahmen. „Sackgasse“, kommentierte die linke Zeitung „Efimerida ton Syntakton“.
Die griechische Staatskasse ist bald wieder leer, allein im Juli muss das krisengeschüttelte Land nach aktuellen Berechnungen der griechischen Finanzpresse gut 3,66 Milliarden Euro zurückzahlen, die es zur Zeit nicht hat.
Bei den Gesprächen über einen möglichen Ausweg aus der Finanzkrise legt Griechenland laut Vize-Außenminister Nikos Xydakis keinen Wert auf eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Athen sehe in der Institution keine Hilfe mehr, sagte Xydakis der Zeitung „Neues Deutschland“ (Donnerstag). „Sie lagen mit allen ihren Modellen und Vorhersagen für die letzten fünf Jahre daneben.“
Griechenland kann sich bereits seit 2010 nur noch mit internationalen Finanzhilfen über Wasser halten. Das jüngste Hilfsprogramm war im Sommer 2015 vereinbart worden und hat einen Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro. Falls Athen aber Reformanforderungen unerfüllt lässt, wird es keine weiteren Hilfsgelder geben. Es könnte dann bis zum Sommer erneut die Zahlungsunfähigkeit drohen.