Griechenland stößt in der Migrationskrise an seine Grenzen
Athen (dpa) - Der beständige Zustrom weiterer Migranten und die Sperrung der mazedonischen Grenze bringen Griechenland an die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit. Die Aufnahmezentren sind überfüllt und mehr als 25 000 Flüchtlinge irren griechischen Medien zufolge durch das Land.
In dieser Situation droht dem wirtschaftlich wichtigen Tourismus ein Rückschlag, weil Urlauber ihre Reisen stornieren. Obwohl weiterhin täglich mehr als tausend Flüchtlinge von der Türkei zu den griechischen Inseln übersetzen, wurden nur 500 per Fähre in der Hafenstadt Piräus weitergebracht. Die meisten müssen vorerst auf den Inseln bleiben und auf Fähren im Hafen übernachten. Damit soll griechischen Medien zufolge die Lage auf dem Festland entspannt werden.
Wegen der Flüchtlingskrise verzeichnet die Touristikbranche einen starken Rückgang der Buchungen sowie einen Anstieg der Stornierungen gebuchter Reisen. Nach einem Bericht der Athener Tageszeitung „Kathimerini“ sind vor allem die Inseln in der östlichen Ägäis betroffen, zu denen die Flüchtlinge von der Türkei aus übersetzen. Die Buchungen auf Lesbos seien im Vergleich zum Vorjahr um 90 Prozent eingebrochen; auf Samos betrage der Rückgang 40 Prozent.
Der Tourismus trägt rund 25 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Sein Rückgang würde das finanziell angeschlagene Land weiter schwächen. Hinzu kommen die eigentlichen Kosten der Flüchtlingskrise. Die Ausgaben für den Aufbau von Auffanglagern und Registrierzentren (Hotspots) und die Versorgung der Menschen würden alleine für das Jahr 2015 auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt, berichtet das griechische Finanzmagazin „Capital“.
Trotz der Zusatzkosten der Migrationskrise pocht der Internationale Währungsfonds (IWF) auf die Umsetzung der in Griechenland heftig umkämpften Reformen, die im Gegenzug für Finanzhilfen vereinbart worden waren. Dem IWF bereite die Bereitschaft vieler EU-Länder Sorgen, Griechenland wegen der Flüchtlingskrise bei den Sparauflagen für das dritte Rettungspaket stärker entgegenzukommen, schreibt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Das könnte zum Beispiel die Rentenreform betreffen.
Der IWF rechne damit, dass Athen bereits Ende März Schwierigkeiten haben werde, seine Schulden zu bedienen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble äußerte sich auf eine entsprechende Nachfrage zurückhaltend. Griechenland befinde sich in einer „außergewöhnlich schwierigen Situation. Beides kommt jetzt zusammen“, sagte er zum Abschluss des G20-Treffens in Shanghai mit Blick auf die Flüchtlings- und die Finanzkrise des Landes.