Flüchtlinge abgewiesen Häfen dicht - Italiens neue harte Hand

Rom (dpa) - Erstmals hat Italien einem Rettungsschiff mit Flüchtlingen die Einfahrt in einen Hafen verwehrt und damit seine europäischen Nachbarn unter Zugzwang gesetzt.

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Stundenlang hatte die „Aquarius“ im Mittelmeer zwischen Italien und Malta ausgeharrt - an Bord Hunderte Migranten, die aus Seenot gerettet worden waren. Am Ende war es Spanien, das die Situation am Montag mit einer Aufnahmeerlaubnis entschärfte. Doch die Machtdemonstration der neuen italienischen Regierung - allen voran des fremdenfeindlichen Innenministers Matteo Salvini - ist perfekt.

Seit langem fühlt sich Italien von seinen europäischen Partnern mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise allein gelassen. Derzeit kommen zwar deutlich weniger Migranten in Italien an, der neuen Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega sind es aber immer noch zu viele. Sie will es nicht bei Forderungen nach mehr Solidarität seitens der EU belassen. „Italien hat aufgehört, den Kopf zu beugen und zu gehorchen, dieses Mal gibt es jemanden, der Nein sagt“, twitterte Salvini.

In den vergangenen Jahren war es Routine, dass im zentralen Mittelmeer Gerettete nach Italien gebracht wurden. Nachdem am Wochenende laut der Internationalen Organisation für Migration insgesamt rund 1420 Migranten im Meer gerettet worden waren, nahm die Regierung in Rom Malta am Sonntag in die Pflicht. Doch auch der Inselstaat wollte die „Aquarius“ der Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée mit 629 geretteten Migranten nicht in den Hafen von Valletta einlaufen lassen. So waren Helfer und Gerettete gezwungen, stundenlang im Meer zwischen Malta und Italien zu warten.

„Um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern“, genehmigte die spanische Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez schließlich, dass das Schiff im Hafen von Valencia anlegen darf. Die Fronten zwischen Italien und Malta aber blieben verhärtet. Regierungschef Giuseppe Conte hatte Malta Unwillen vorgeworfen, „einzuschreiten und sich des Notstands anzunehmen“. Maltas Premier Joseph Muscat warf Italien im Gegenzug vor, internationales Recht gebrochen zu haben.

In der Tat kommen seit langem so gut wie keine geretteten Migranten mehr in Malta an. Waren es laut UNHCR 2013 noch rund 2000 Menschen, ging die Zahl in den Folgejahren rapide nach unten. 2017 erreichte sie mit 23 Menschen einen Tiefstand. Im gleichen Jahr landeten an Italiens Küsten unter Anweisung der zentralen Seenotrettungsleitstelle in Rom 119.310 Menschen an - dabei liegt Malta näher an der Such- und Rettungszone vor Libyen als Sizilien.

In den Streit zwischen Italien und Malta schaltete sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Kanzlerin rufe alle Beteiligten auf, „ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden“. Deutschland sei schon lange der Auffassung, dass besonders durch die Migrationskrise belastete EU-Staaten wie Italien „nicht alleine gelassen werden dürfen“.

Die neue Linie Italiens setzt die europäischen Partner nun unter Druck. Das „verantwortungslose“ Handeln der neuen rechts-populistischen Regierung in Italien zeige umso mehr, „wie dringend es ist, dass Merkel und Co. zu einer allgemeinverbindlichen Lösung kommen, bei der die Mitgliedstaaten die humanitäre Verantwortung fair teilen“, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Udo Bullmann. Beim EU-Gipfel Ende Juni erwarte man Fortschritte in der Migrationsfrage.

Die Hilfsorganisationen stehen in der Krise längst selbst unter Druck. „Wir merken nicht erst seit gestern, dass es immer schwieriger wird, Menschen im Mittelmeer zu retten“, sagte Verena Papke von SOS Méditerranée in Berlin. Der Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen werde erneut „auf dem Rücken der humanitären Organisationen ausgetragen“. Die Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) zeigte sich in einer Mitteilung besorgt. „Die Welt braucht eine zwingende und nachhaltige Lösung für diese Verschärfung der Krise.“

Innenminister Salvini sprach von einem „Sieg“ und vom „ersten erreichten Ziel“. „Die Partie ist heute sicher nicht zu Ende.“ Tatsächlich dürfte die „Aquarius“ nicht das einzige Schiff bleiben, das von Italien abgewiesen wird. Die deutsche Organisation Sea-Watch teilte mit: „Unser Schiff Sea-Watch 3, das sich ebenfalls in einer Rettungsmission befindet, könnte schon heute in eine ähnliche Situation kommen.“