Viele Tote bei Luftangriffen Helfer werfen Syriens Regierung Einsatz von Chlorgas vor

Damaskus (dpa) - Rettungshelfer und Aktivsten werfen Syriens Regierung erneut den Einsatz von Giftgas vor.

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Die Rettungsorganisation Weißhelme berichtete, in der von Rebellen kontrollierten Stadt Sarakib im Nordwesten des Bürgerkriegslandes seien mindestens zwölf Menschen verletzt worden, als sie Chlorgas eingeatmet hätten.

Zugleich kamen Aktivisten zufolge bei eine Serie von Luftangriffen auf Rebellengebiete des Bürgerkriegslandes Dutzende Zivilisten ums Leben. Allein in der von Rebellen gehaltenen Region Ost-Guta östlich der Hauptstadt Damaskus seien mindestens 28 Zivilisten getötet worden, darunter zehn Kinder, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Mehr als 70 Menschen seien verletzt worden.

Ein Hubschrauber habe in Sarakib in der Provinz Idlib am Morgen eine Bombe mit Chlorgas abgeworfen, erklärten die Weißhelme weiter. Ein Krankenhelfer mit dem Namen Nadschar berichtete der Deutschen Presse-Agentur, die Opfer seien mit Atemproblemen behandelt worden. Die Bombe sei nicht explodiert, ein Teil des Chlorgases sei jedoch ausgeströmt. Eine unabhängige Bestätigung für die Angaben gab es zunächst nicht.

In den sozialen Medien kursierten zu den Vorwürfen nur wenige Bilder. Die Weißhelme verbreiteten Fotos, auf denen Menschen mit Sauerstoffmasken behandelt werden. Ein Video des oppositionellen Senders Orient News zeigte Menschen, die mit Wasser abgespritzt werden. Nach Angaben des Kanals handelte es sich dabei um Opfer. In New York wollte sich am Montag der UN-Sicherheitsrat mit dem Einsatz von Chemiewaffen in Syrien befassen.

Syrien war nach einem Giftgasangriff 2013 unter starkem internationalem Druck der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) beigetreten und hatte der Vernichtung seiner Chemiewaffen zugestimmt. Bis jetzt ist aber unklar, ob Syrien tatsächlich alle Bestände zerstören ließ. Chlorgas fällt nicht unter das Verbot, da es auch für zivile Zwecke eingesetzt werden kann.

Lokale Medienaktivisten meldeten am Montag 30 Angriffe auf die Region Ost-Ghuta und machten dafür Regierungsjets verantwortlich. Nach UN-Schätzungen sind in dem von Rebellen gehaltenen Gebiet rund 400 000 Menschen von der Regierung eingeschlossen. Wegen der Blockade mangelt es an Lebensmitteln und medizinischer Versorgung. Zuletzt waren die Kämpfe zwischen Regierung und Oppositionsgruppen eskaliert.

In der ebenfalls von Rebellen kontrollierten Provinz Idlib im Nordwesten Syriens wurden den Menschenrechtlern zufolge mindestens 16 Zivilisten bei Luftangriffen getötet. In dem Ort Maarat al-Numan trafen die Bomben demnach auch ein Krankenhaus. Den Weißhelmen zufolge ist das Hospital nach dem Angriff außer Betrieb.

Die umkämpfte Provinz Idlib ist eine der letzten Rebellenhochburgen in Syrien. Regierungstruppen konnten jedoch größere Gebiete einnehmen und setzen ihre Offensive gegen die überwiegend islamistischen Milzen fort. Russische Jets unterstützten die Angriffe. Rebellen hatten am Wochenende erstmals ein russisches Flugzeug abgeschossen. Moskau ist im Bürgerkrieg ein wichtiger Verbündeter der Regierung in Damaskus.

Am Donnerstag hatte US-Verteidigungsminister James Mattis Syriens Führung unter Präsident Baschar al-Assad beschuldigt, weiterhin Chemiewaffen zu produzieren und einzusetzen, wie US-Medien berichteten. Das syrische Außenministerium wies die Vorwürfe zurück. Man habe die gesamten Chemiewaffenbestände der OPCW übergeben.

Syrien war bereits mehrfach vorgeworfen worden, in dem fast sieben Jahre dauernden Bürgerkrieg Giftgas eingesetzt zu haben. So kam ein gemeinsames Untersuchungsteam der UN und der OPCW zu dem Schluss, die syrische Luftwaffe sei für den verheerenden Saringasangriff auf die Stadt Chan Scheichun am 4. April des vergangenen Jahres mit mehr als 80 Toten verantwortlich. Syriens Regierung wies jede Schuld für Giftgasangriffe zurück und wurde dabei von Moskau unterstützt.

Angesichts der Eskalation in Syrien warnten internationale Hilfsorganisationen von einer erzwungenen Rückkehr syrischer Flüchtlinge in das Bürgerkriegsland. Gewalt und Bombardierungen in Syrien gingen weiter, heißt es in einem gemeinsamen Bericht mehrerer Hilfsorganisationen. Die Studie sei ein Weckruf gegen Stimmen, die suggerierten, dass der Krieg vorbei und eine Rückkehr sicher sei.

Nach dem Bericht stieg die Zahl der Rückkehrer in den vergangenen beiden Jahren auf mehr als 720 000, die meisten davon Binnenvertriebene. Im selben Zeitraum hätten jedoch dreimal so viele Menschen ihre Heimat durch Kämpfe und Vertreibungen verloren.