Sorge um 750 000 Unbeteiligte Irak: Sturm auf Westteil der IS-Hochburg Mossul beginnt

Bagdad (dpa) - Gut vier Monate nach Beginn der Großoffensive auf Mossul erstürmt die irakische Armee nun die verbliebenen Stadtviertel unter Kontrolle der Terrormiliz Islamischer Staat.

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Priorität bei dem Einsatz habe der Schutz von Zivilisten, sagte Ministerpräsident Haider al-Abadi am Sonntagmorgen in einer Fernsehansprache. Die Vereinten Nationen schätzen, dass in den Vierteln westlich des Flusses Tigris etwa 750 000 Unbeteiligte leben, darunter viele Kinder. Berichten zufolge wurden Zivilisten in der Vergangenheit als menschliche Schutzschilde benutzt.

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Al-Abadi sagte: „Unsere tapferen Streitkräfte werden den Rest dieser Stadt und seine Bürger von Unterdrückung und Terrorismus von Daesh befreien. Daesh ist die arabische Abkürzung für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Nach einer vollständigen Eroberung Mossuls wäre der IS im Irak als Territorialmacht weitgehend besiegt - seit Ende 2015 waren bereits die Städte Ramadi und Falludscha aus den Händen der Dschihadisten zurückerobert worden. Die Gefechte in der ehemaligen Millionenstadt werden voraussichtlich aber noch Wochen bis Monate andauern.

Die irakische Armee, mit ihnen verbündete Milizen und kurdische Kämpfer hatten die Offensive auf die inoffizielle Hauptstadt des IS im Irak Mitte Oktober aus mehreren Richtungen begonnen und die Großstadt schnell eingekreist. Ende Januar hatten die Truppen den Ostteil Mossuls komplett befreit. Unterstützt werden die Kämpfer durch Luftangriffe der US-geführten internationalen Koalition sowie hinter der Front durch Hunderte Militärberater.

Vor dem Start der Offensive warfen irakische Jets dem Verteidigungsministerium zufolge Flugblätter über dem Westteil der Stadt ab, in denen die IS-Kämpfer dazu aufgefordert werden, sich zu ergeben. Der Chef der Polizeikräfte, Raed Dschawat, berichtete am Sonntag bereits von ersten Erfolgen: Südlich Mossuls seien auf der Westseite des Tigris Areale eingenommen worden. Diese befinden sich aber einige Kilometer außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes.

Die Befreiung West-Mossuls wird als aufwendiger eingeschätzt als die Gefechte im Ostteil der Stadt. Neben den vielen Zivilisten, die sich dort aufhalten und die Operation dadurch erschweren, ist das Gebiet teilweise eng bebaut. Dies macht eine Eroberung schwierig, weil der IS sich besser verschanzen und Sprengfallen aufstellen kann.

Die Hilfsorganisation Save the Children erklärte: „Die Zerstörung durch Artillerie und andere Waffen, die Explosionen hervorrufen, ist in diesen engen, dicht bevölkerten Straßen wahrscheinlich tödlicher und wahlloser als alles, was wir bislang in diesem Konflikt gesehen haben.“ Flucht sei für die Familien keine Option, weil sie dadurch die Exekution durch den IS oder den Tod durch Minen riskierten.

Die Terrormiliz setzt im Kampf gegen die Angreifer bislang vor allem Selbstmordattentäter und Scharfschützen ein und leistet damit heftigen Widerstand. Nach schweren Verlusten stockte die Offensive im Dezember erstmals. Nach einer Umgruppierung der Truppen kam der Vormarsch allerdings wieder in Gang und der Osten der Stadt konnte wenige Wochen später für befreit erklärt werden.

Dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen zufolge sind seit Beginn der Kämpfe 217 000 Menschen aus dem Osten Mossuls vertrieben worden. 57 000 seien wieder in ihre alten Viertel zurückgekehrt, 550 000 Zivilisten seien während der Kämpfe in ihren Häusern geblieben.