Konservative regieren künftig Portugal
Lissabon (dpa) - Machtwechsel in Portugal: Das pleitebedrohte Euro-Land Portugal hat den sozialistischen Regierungschef José Sócrates abgewählt und der konservativen Opposition eine komfortable Mehrheit gegeben.
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im ärmsten Land Westeuropas erhielt die liberale Partei der Sozialdemokratie (PSD) von Spitzenkandidat Pedro Passos Coelho am Sonntag 38,6 Prozent. Die seit 2005 regierende Sozialistische Partei (PS) musste sich mit 28,1 Prozent begnügen. Das war ihr schlechtestes Ergebnis seit 1987. 41,1 Prozent der Wahlberechtigten blieben den Urnen fern.
Die Neuwahlen waren nötig geworden, weil Sócrates im März das Handtuch geworfen hatte. Zuvor hatte seine Minderheitsregierung im Parlament keine Mehrheit für das vierte Sparpaket innerhalb von elf Monaten finden können. Trotz des Rücktritts war Sócrates als geschäftsführender Regierungschef im Amt geblieben und auch wieder ins Wahlrennen gegangen.
Der gelernte Volkswirt Passos Coelho sagte am Montag, er werde als Regierungschef alle Abkommen und Zahlungsverpflichtungen respektieren. Zusammen mit dem rechtskonservativen Demokratischen und Sozialen Zentrum (CDS), das auf ein Ergebnis von rund 11,7 Prozent kam, kann die PSD eine starke Regierung mit absoluter Mehrheit der Parlamentssitze bilden. Die Koalitionsverhandlungen sollten nach Medienangaben schon am Montag aufgenommen werden.
„Der Weg ist für PSD, CDS und für Unabhängige geebnet, um die Regierung zu bilden, die Portugal benötigt“, sagte Passos Coelho. Eine Regierungsteilnahme der PS schloss er allerdings aus. Bei den Wahlen von 2009 hatte seine PSD nur 29 Prozent geschafft.
„Wir werden viel Mut und auch etwas Geduld brauchen, um die riesigen Probleme zu meistern, die auf uns warten“, hatte Passos Coelho in der Nacht in seiner Siegesrede in einem Lissabonner Hotel gerufen. Der Politiker, der im Juli 47 Jahre alt wird, versprach „Stabilität für die nächsten vier Jahre“ und sagte, er werde das Vertrauen der Märkte und des Auslands in Portugal wiederherstellen.
Das Präsidialamt kündigte am Montag in Lissabon an, Passos Coelho werde sich schon am Nachmittag mit dem ebenfalls der PSD angehörenden Präsidenten Anibal Cavaco Silva treffen, um die Regierungsbildung zu erörtern. Der künftige Ministerpräsident erklärte am Montag, er wolle alles tun, damit die neue Regierung früher als geplant noch in diesem Monat die Amtsgeschäfte übernimmt.
Sócrates trat unterdessen als Generalsekretär der PS zurück. „Das war meine Niederlage“, räumte er in der Nacht ein. Er fügte an, er wolle in Zukunft zunächst kein politisches Amt bekleiden. Seine PS verlor im Lissabonner Parlament nicht weniger als 20 Abgeordnete. Sócrates war der erste gewählte amtierende Ministerpräsident überhaupt, der abgewählt wurde.
Ins Lissabonner Parlament wurden nach den vorliegenden Ergebnissen auch wieder das Bündnis von Kommunisten und Grünen (CDU) mit 7,9 Prozent sowie der Linksblock (BE) mit 5,2 Prozent gewählt.
In Lissabon gingen in der Nacht Tausende auf die Straßen, um den Sieg der PSD, aber auch die Schlappe von Sócrates zu feiern. Die Menschen sangen und tanzten, schwenkten auch Portugal- und orangefarbenen Fahnen der PSD. Autofahrer veranstalteten Hupkonzerte.
Die neue Regierung wird spätestens Anfang Juli die Amtsgeschäfte übernehmen. Sie muss dann sofort die mit dem 78 Milliarden Euro schweren Hilfspaket verbundenen Sparauflagen in Gang bringen, die Anfang Mai mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds ausgehandelt wurden.