Kriegs-Entschädigungen für Athen? „Ablehnungsfront“ bröckelt
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung gerät mit ihrer Ablehnung von Entschädigungszahlungen an Griechenland für Verbrechen der Nationalsozialisten zunehmend in die Kritik.
„Wir sollten die Frage der Entschädigungen nicht mit der aktuellen Debatte über die Euro-Krise verknüpfen. Aber unabhängig davon bin ich der Meinung, dass wir die Entschädigungsdiskussion führen müssen“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner „Spiegel Online“. Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte das kategorische Nein.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder wies das klar zurück: „Das ist ausgestanden. Es gibt keinen Anspruch. Die Griechen sollen sich mal mit ihrer Hausaufgabe beschäftigen und nicht immer woanders Schuldige suchen.“ Griechenlands Präsident Prokopis Pavlopoulos will alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, damit sein Land Reparationen bekommt und ein Zwangskredit von 1942 zurückgezahlt wird, wie er zuvor in Athen betont hatte.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann schloss sich wie Kauder der Haltung der Regierung an, dass die Fragen mit dem 2+4-Vertrag zur deutschen Einheit abschließend rechtlich geregelt worden seien. Aber Griechenland hatte unter anderem 1995 in einer Verbalnote an das Auswärtige Amt betont, dass die Ansprüche weiter offen seien.
„Unabhängig wie man das rechtlich beurteilt, haben wir immer eine Verantwortung für die schweren Verbrechen der nationalsozialistischen Besatzungsmacht in Griechenland“, betonte Oppermann. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Freundschaft zwischen Deutschland und Griechenland auch in Zukunft erhalten bleibt.“ So sei ein deutsch-griechisches Jugendhilfswerk auf den Weg gebracht worden. Zudem sollen aus einem neuen Zukunftsfonds des Auswärtigen Amtes Versöhnungsprojekte finanziert werden.
Grünen-Fraktionschef Hofreiter vertrat bei „Spiegel online“ die Ansicht, Deutschland könne die Forderungen Griechenlands nicht einfach vom Tisch wischen. „Weder moralisch noch juristisch ist dieses Kapitel eindeutig abgeschlossen.“ Gleichwohl mahnte auch er, dass Thema nicht mit der Schuldenkrise zu vermischen.
Einige Historiker und Völkerrechtler betonen, dass besonders die Forderungen auf Rückzahlung des Zwangskredits aussichtsreich seien. Athen will hier elf Milliarden Euro. Im einzigen Entschädigungsabkommen mit Griechenland wurde vor 55 Jahren eine Zahlung von 115 Millionen Mark vereinbart.
Im Krieg verübte die SS schlimme Massaker auch in Griechenland, zum Beispiel im Juni 1944 im Ort Distomo. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke sagte zu der Debatte bei SPD und Grünen: „Es ist gut, dass die Front der Entschädigungsverweigerer zu bröckeln beginnt.“