Irak und Türkei reagieren Kritik und Militärmanöver nach Kurden-Referendum

Erbil/Istanbul (dpa) - Das Unabhängigkeitsreferendum der Kurden im Nordirak hat international heftige Kritik hervorgerufen. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Abstimmung als „Verrat“ an seinem Land.

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Obwohl die Beziehungen zwischen der Regionalregierung in Erbil und der Türkei bisher gut gewesen seien, habe Kurden-Präsident Massud Barsani sein Land vor dem Referendum nicht um Rat gefragt, kritisierte Erdogan am Dienstag in Ankara. Das sei „offen gesagt auch ein Verrat an unserem Land.“

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Kurz nach der Abstimmung am Montag begannen die türkische und die irakische Armee ein gemeinsames Militärmanöver. Es handele sich um eine groß angelegte militärische Übung, teilte der irakische Generalstabschef Uthman al-Ghanami mit. Die Übung finde in der Gegend des Grenzübergangs Habur statt, dem Übergang zwischen der Türkei und der Kurden-Region im Nordirak. Die türkische Armee hatte das Manöver bereits vor einer Woche begonnen. Die gemeinsame Übung mit den irakischen Truppen markiere eine nächste Phase.

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Trotz internationaler Kritik und Warnungen hatte die kurdische Autonomieregierung im Nordirak an dem Referendum über die Unabhängigkeit festgehalten und die Bürger am Montag abstimmen lassen. Kurden-Präsident Massud Barsani erklärte in einer Fernsehansprache einen Sieg der Ja-Stimmen beim Referendum, wie die kurdische Nachrichtenseite Rudaw berichtete. Er forderte die Zentralregierung in Bagdad und die Nachbarländer auf, den Willen des kurdischen Volkes zu respektieren. Er appellierte an Al-Abadi und andere, die an einen Dialog glaubten, die Tür für Verhandlungen zu öffnen.

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Die Wahlkommission rechnet mit einer deutlichen Mehrheit für eine Abspaltung vom Rest des Landes. Die ersten Auszählungen deuteten darauf hin, dass mehr als 90 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeit gestimmt haben, wie die Kommission am Montagabend berichtet hatte.

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Die irakische Zentralregierung in Bagdad hält die Abstimmung für verfassungswidrig. Sie hat die nordirakischen Kurden mittlerweile ultimativ zur Übergabe der dortigen Flughäfen aufgefordert. Die kurdische Autonomieregierung in Erbil habe bis Freitag Zeit, die Kontrolle der Flughäfen zu übergeben, sagte der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi am Dienstag. Sollte sie dem nicht nachkommen, werde ein Flugverbot über die Flughäfen im Norden des Landes verhängt.

Der türkische Präsident Erdogan hatte zuvor erneut mit Sanktionen gedroht und betont, dass das Referendum für die Türkei keine Legitimität habe. „Sobald wir anfangen, unsere Sanktionen anzuwenden, wirst Du ohnehin in der Klemme sein“, sagte Erdogan mit Blick auf Kurden-Präsident Massud Barsani. „Sobald wir nur das Ventil zudrehen, ist es vorbei.“

Am Vortag hatte Erdogan schon mit einer Blockade der Erdöl-Exporte gedroht. Die Kurden im Nordirak exportieren ihr Öl über die Türkei. Erdogan forderte Israel zudem auf, seine Unterstützung für die kurdische Regionalregierung zu überdenken.

Auch der Iran will das Ergebnis des Referendums nicht anerkennen. „Alles, was zu einer Desintegration der Region führen könnte, werden wir (im Parlament) nicht anerkennen“, sagte Parlamentspräsident Ali Laridschani.

Das Problem mit der Terrormiliz Islamischer Staat in Nordirak sei noch nicht vollkommen beendet. Umso bedauerlicher sei es, dass die Kurden nun mit ihrem Unabhängigkeitsreferendum für eine weitere Krise in der Region sorgen, von der keiner profitieren werde, so Laridschani laut Nachrichtenagentur IRNA.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tasnim am Dienstag wollen die iranischen Revolutionsgarden die Sicherheitsvorkehrungen weiter verschärfen. An den westlichen Grenzen zum Nordirak sollen neue Raketensysteme stationiert werden um das Land vor „Aggressionen“ zu schützen.

Auch Russland äußerte sich nach der Durchführung des Referendums skeptisch. Die Wahrung der territorialen und politischen Einheit des Iraks sei extrem wichtig für die Stabilität und Sicherheit in der Region, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel äußerte sich besorgt, dass sich die Spannungen in der Region weiter verschärfen könnten. Der SPD-Politiker forderte die kurdische Regionalregierung und die Zentralregierung in Bagdad zum Dialog auf.

Deutschland hat der kurdischen Peschmerga-Armee in großem Stil Waffen geliefert - unter anderem 20 000 Gewehre und 1000 Panzerabwehr-Raketen. Zudem sind immer noch 160 deutsche Soldaten zur Ausbildung der kurdische Soldaten im Nordirak stationiert.