Türkische Offensive in Afrin Macrons Vermittler-Vorstoß empört Erdogan

Istanbul/Paris (dpa) - Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat jede Vermittlerrolle Frankreichs bei der türkischen Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Syrien empört zurückgewiesen.

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Erdogan erhob am Freitag schwere Vorwürfe gegen seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron wegen dessen Vorstoß. „Nach diesem Verhalten hat Frankreich kein Recht mehr, sich über eine einzige Terrororganisation, einen einzigen Terroristen oder einen einzigen Terroranschlag zu beschweren“, sagte Erdogan in Ankara. „Diejenigen, die sich mit Terroristen ins Bett legen und sie sogar in ihren Palästen empfangen, werden ihren Fehler früher oder später erkennen.“

Erdogans Aussagen dürften in Paris für Entsetzen sorgen, schließlich war Frankreich erst vor wenigen Tagen wieder von einem Terroranschlag erschüttert worden. Der Grund für Erdogans Wut: Macron hatte zuvor eine Delegation der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) empfangen. Macron hatte dann seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass mithilfe Frankreichs und der internationalen Gemeinschaft ein Dialog zwischen den SDF und der Türkei hergestellt werden könne.

Die SDF sind aus Sicht Ankaras aber nicht mehr als eine Tarnorganisation der YPG und der mit ihr verbundenen verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Freitag einen PKK-Angriff in der südosttürkischen Provinz Siirt, bei dem sechs Sicherheitskräfte getötet wurden.

Erdogan sagte nun unter dem Beifall von Funktionären seiner AKP: „Hey, Westen! Die, die ihr SDF nennt, die Syrischen Demokratischen Kräfte, sind dasselbe wie diese Terrororganisation“ - gemeint ist die YPG und damit die PKK. „Ihr versucht, uns mit denen zu täuschen.“ Die Türkei lasse sich von „Buchstabenspielen“ nicht hinters Licht führen: „Wir wissen deshalb, dass sie alle die Ausgeburt derselben Schlange sind.“ In gewohnt direkter Art warf der türkische Präsident den Franzosen - die nach seinen Worten „nicht einmal Rechenschaft über ihre eigene schmutzige und blutige Vergangenheit ablegen konnten“ - Anmaßung vor. „Wir brauchen keinen Vermittler.“

Erdogan betonte, die Türkei führe ihren Kampf gegen Terroristen so, „wie sie es in Afrin tut“. 3800 „Terroristen“ seien seit Beginn der Offensive am 20. Januar „neutralisiert“ worden. Die türkische „Operation Olivenzweig“ gegen die YPG im nordsyrischen Afrin ist es, die nun zum offenen Streit mit Frankreich geführt hat - und die den Nato-Partner Türkei im Westen zunehmend isoliert.

Bereits zuvor hatte sich Erdogan mit den USA angelegt, die in der YPG Verbündete im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Offensive in der vergangenen Woche in einer Ansprache im Bundestag verurteilt, was die Regierung in Ankara wiederum „inakzeptabel“ nannte. Kritiker halten die Operation für völkerrechtswidrig, was die Türkei freilich dementiert: Sie argumentiert mit dem Recht auf Selbstverteidigung.

Im Westen wächst die Sorge, dass die türkische Offensive gegen die YPG den Kampf gegen den IS unterläuft. US-Präsident Donald Trump kündigte am Donnerstag (Ortszeit) in Richfield im US-Bundesstaat Ohio überraschend einen baldigen Rückzug aus Syrien an. Die USA würden das Bürgerkriegsland „sehr bald“ verlassen. „Übrigens, wir machen den IS echt fertig“, sagte Trump. „Wir kommen (....) sehr bald aus Syrien raus.“ Pentagon-Sprecherin Dana White hatte allerdings nur wenige Stunden zuvor gesagt, in Syrien gebe es noch viel zu tun, um einen dauerhaften Sieg über die Extremisten sicherzustellen.

Dafür spricht auch die anhaltende Gewalt in Nordsyrien: Bei einer Bombenexplosion wurden zwei Angehörige der US-geführten Anti-IS-Koalition und fünf weitere verletzt, wie das Bündnis am Freitag mitteilte. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, der Sprengsatz sei in der nordsyrischen Stadt Manbidsch explodiert. Manbidsch steht unter der Kontrolle der SDF, und bislang sind in der Region auch noch US-Soldaten stationiert. Erdogan hat aber bereits angekündigt, seine Truppen nach der Offensive in Afrin auf Manbidsch marschieren zu lassen.