Maulwurf-Skandal im Vatikan weitet sich aus

Der unter Verdacht stehende Kammerdiener des Papstes soll Helfer gehabt haben.

Rom. Er war ganz nah am Papst — so nah wie kaum jemand sonst. Der persönliche Kammerdiener von Papst Benedikt XVI. soll der Maulwurf gewesen sein, der vertrauliche Informationen aus dem Vatikan an die Öffentlichkeit gebracht hat: über ein angebliches Mordkomplott gegen den Papst, über Vetternwirtschaft, Korruption und Missmanagement. Der 46-jährige Familienvater sitzt hinter den dicken Mauern des Vatikan in Untersuchungshaft.

Der Platz des Dieners im Papamobil an der Seite des Papstes blieb am Pfingstsonntag leer. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung waren Dokumente gefunden worden, die er nicht hätte besitzen dürfen. Dabei werden in den Medien auch Zweifel laut — denn bisher ist kein Motiv für den gläubigen Mann ersichtlich.

Seit Monaten hält „Vatileaks“ den Vatikan in Atem — ein Riesenskandal. Gerade vor einer Woche ist auch noch das Buch des TV-Journalisten Gianluigi Nuzzi mit dem Titel „Sua Santità“ (Seine Heiligkeit) erschienen, mit vertraulicher Korrespondenz des Papstes, neuen Enthüllungen und einem Anhang mit zahlreichen Kopien von Dokumenten. Der Vatikan bezeichnete die Veröffentlichung als kriminell und kündigte ein entschiedenes Vorgehen und rechtliche Schritte gegen alle an der Indiskretion Beteiligten an.

In den Medien wird nun über mögliche Mittäter spekuliert. Nach einem Bericht der rechtsliberalen Tageszeitung „Corriere della Sera“ könnte ein italienischer Kardinal unter Verdacht geraten sein. Auch die Nachrichtenagentur Ansa schreibt, eine Beteiligung hoher Würdenträger sei nicht ausgeschlossen. Doch alle Angaben dazu bleiben vage. Berichte, dass neue Festnahmen kurz bevorstünden, dementierte Vatikansprecher Federico Lombardi. Es gebe keine weiteren Ermittlungen, sagte er gestern.

Allerdings hatte Lombardi am Wochenende gesagt, es gehe im Zusammenhang mit „Vatileaks“ um „weitere Taten“, die Ermittlungen würden eine Weile dauern. Und der Buchautor Nuzzi hatte in den Medien stets von mehreren „Quellen“ gesprochen, die aus Überzeugung handelten.

Hinter den Vatikan-Mauern wird gerätselt — und auch gezweifelt. Ein Priester, der den Kammerdiener seelsorgerisch betreute, sagte, er kenne den 46-Jährigen seit vielen Jahren. „Und sollten sich diese Anschuldigungen als wahr herausstellen, dann könnte man von dieser Stunde an keinem einzigen Menschen mehr vertrauen.“