Militär in Mali erzwingt Rücktritt der Regierung
Bamako/Kapstadt (dpa) - Das Militär in Mali hat den Rücktritt der Übergangsregierung in Bamako erzwungen und damit das politische Chaos in dem westafrikanischen Land verschärft.
Nur wenige Stunden nach seiner Festnahme gab Regierungschef Cheick Modibo Diarra am Dienstagmorgen im Fernsehen seinen Rücktritt und den der Regierung bekannt. Seit islamistische Gruppen den Norden Malis fest im Griff haben, wird befürchtet, dass sich dort eine Terroristen-Hochburg etablieren könnte.
Die Militärs bestritten, einen Staatsstreich angezettelt zu haben. „Dies ist kein Putsch.“ Ein neuer Ministerpräsident werde in Kürze ernannt. Diarra befinde sich in Sicherheit, nach Unterzeichnung seiner Rücktrittserklärung sei er freigelassen worden, sagte ein Militärsprecher in Bamako der Nachrichtenagentur dpa.
Der seit April amtierende Chef der Übergangsregierung war am Abend von etwa 15 Soldaten festgenommen worden. Die Soldaten handelten nach Angaben aus Militärkreisen auf Befehl von Hauptmann Amadou Haya Sanogo, einem der führenden Köpfe des Militärputsches vom März.
Diarra hatte ursprünglich in der Nacht zum Dienstag nach Paris fliegen wollte, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Militärsprecher meinten, die geplante Ausreise sei nur ein politischer Schachzug gewesen, um seine absehbare Entmachtung zu erschweren.
„Ich entschuldige mich bei allen Menschen in Mali, die unter dieser Krise zu leiden haben“, sagte Diarra in seiner Fernsehrede. Er sprach von der „schwierigsten Phase unserer Geschichte“.
Diarra galt als entschiedener Befürworter einer internationalen Friedenstruppe, die im Auftrag der UN gemeinsam mit den malischen Einheiten die Einheit des Landes wieder herstellen sollte. Angeblich wollen manche Militärs, unter ihnen Hauptmann Sanogo, lediglich internationale Unterstützung bei Ausrüstung, Ausbildung und Logistik. Der Militäreinsatz soll aber in nationaler Regie geführt werden.
Die Ursache für die Intervention seien interne politische Konflikte gewesen, so die Militärs. Es sei vor allem um Personalentscheidungen gegangen. Der geplante internationale Militäreinsatz gegen die Separatisten im Norden Malis habe keine Rolle gespielt.
Die Militärs hatten im März den gewählten Präsidenten Amadou Toumani Touré mit der Begründung gestürzt, dass die Regierung nicht entschlossen genug im Kampf gegen die Islamisten und Tuareg-Rebellen im Norden durchgreife. Auf Bitten der bisherigen Regierung Malis bereitet die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas einen Militäreinsatz mit etwa 3500 Soldaten vor.
Auch die Vorbereitungen der EU für den Einsatz von Militärausbildern in Mali gehen trotz des Sturzes von Diarra weiter. „Natürlich werden wir ganz besonders aufmerksam verfolgen, welche Haltung das Militär einnimmt und ob es sich weiterhin in das politische Leben einmischt oder nicht“, sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Dienstag in Brüssel. Derzeit befänden sich keine EU-Militärs in Mali, um den Einsatz vorzubereiten. Die EU will Mali mit mehr als 200 Militärausbildern sowie finanzieller Hilfe unterstützen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich beunruhigt über die Entwicklung: „Die Festnahme von Premierminister Diarra und der Rücktritt der Regierung gefährden die politische Stabilisierung des Landes.“ Bedingung für die Hilfe aus Deutschland und von der EU sei, „dass der Prozess zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Mali glaubhaft durchgeführt wird“.
In Berlin hieß es aber auch, die Ablösung des Regierungschefs dürfte kaum große Auswirkungen auf die Entwicklung in Mali haben. Diarra sei schon zuvor geschwächt und keine zentrale Figur in der politischen Entwicklung des Landes mehr gewesen. Zudem sei er in der Bevölkerung unbeliebt. Für eine ernsthafte Einschätzung der Auswirkungen auf den geplanten Einsatz von Militärausbildern aus der EU sei es viel zu früh.
Frankreich verurteile die Umstände, unter denen Diarra zum Rücktritt gezwungen worden sei. Es müsse schnell eine repräsentative Regierung mit breiter Unterstützung der malischen Bevölkerung gebildet werden, sagte Außenministeriumssprecher Philippe Lalliot. Die aktuelle Entwicklung unterstreiche die Notwendigkeit für den Einsatz einer afrikanischen Friedenstruppe.
Für den geplanten Militäreinsatz steht noch die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates aus. Chaos und Menschenrechtsverletzungen prägen nach Berichten von UN-Vertretern und Menschenrechtsorganisationen die Lage im Norden Malis. Fast 350 000 Menschen sind laut der UN in den vergangenen Monaten aus dem Norden geflohen, davon etwa 140 000 in Nachbarländer.