Neuwahlen in Griechenland immer wahrscheinlicher
Athen (dpa) - In Athen werden vorgezogene Wahlen immer wahrscheinlicher: Der Anführer des linken Flügels der Regierungspartei Syriza, Panagiotis Lafazanis, rief alle Abgeordneten seiner Partei zur Ablehnung eines neuen Reform- und Sparprogramms auf.
Dies kündigte Lafazanis im Nachrichtenportal „Realnews.gr“ an, falls Ministerpräsident Alexis Tsipras ein solches Programm in den kommenden Tagen vorlegen sollte. Regierungssprecherin Olga Gerovasili bezeichnete daraufhin im griechischen Fernsehen Neuwahlen als „wahrscheinlich“. Ein Datum hierfür nannte sie nicht.
Wegen des Richtungsstreits in seiner Syriza-Bewegung hatte Tsipras bereits vergangene Woche Neuwahlen nicht ausgeschlossen. Zuvor hatte der linke Flügel der Partei zwei Mal gegen Reform- und Sparmaßnahmen gestimmt, die Bedingung für neue Finanzhilfen der internationalen Geldgeber waren. Fast jeder Vierte Syriza-Abgeordnete verweigerte seine Zustimmung, nur mit Hilfe der Opposition kam jeweils eine Mehrheit zustande. Das könne so nicht weitergehen, sagte Tsipras vergangene Woche in einem Interview.
Es sei „surreal“, wenn Abgeordnete nicht für die Regierungspolitik stimmten, aber trotzdem erklärten, diese Politik zu unterstützen, fügte Tsipras hinzu. Sollte dies nicht aufhören, sehe er keine andere Möglichkeit als Neuwahlen. In Athen wird davon ausgegangen, dass Tsipras notfalls auch ein drittes Milliardenhilfsprogramm samt dazugehöriger Auflagen mit den Stimmen der Opposition durchboxen wird.
Die Gespräche der griechischen Regierung mit den Geldgebern können aus Sicht von Finanzminister Euklid Tsakalotos bis Ende der Woche erfolgreich abgeschlossen werden. „Es ist sogar etwas besser, als ich erwartet habe“, sagte der Minister in Athen zum Verhandlungsstand. Im Mittelpunkt stehen die umstrittenen Privatisierungsvorhaben, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Durch den Verkauf staatlicher Unternehmen und Immobilien soll Athen Einnahmen in Höhe von rund 50 Milliarden Euro erzielen, was einige Experten für völlig unrealistisch halten.
Unterdessen hat die Börse in Athen nach dem Ausverkauf zu Wochenbeginn am Dienstag einen Stabilisierungsversuch gestartet. Zwar sackte der Leitindex Athex Composite zunächst weiter ab und fiel um 5 Prozent, aber im Handelsverlauf erholte er sich etwas und lag am Schluss mit einem Minus von 1,22 Prozent bei 659,94 Punkten. Damit ist die Athener Börse von historischen Tiefpunkten noch weit entfernt. Im Jahr 2012 hatte der Athex-Index ein Zwischentief bei 471 Punkten markiert. Am Montag wurde an der Athener Börse nach fünfwöchiger Zwangspause der Handel wieder aufgenommen. Der Athex Composite war daraufhin um bis zu 23 Prozent eingebrochen.
Griechenlands Regierung will nach eigenen Angaben alle Versprechen einlösen, damit es zu einer Einigung mit den Gläubigern in den kommenden Tagen kommt. Danach solle das Abkommen vom Parlament - wahrscheinlich am 18. August - gebilligt werden, sagte eine Regierungssprecherin. Am Mittwoch solle damit begonnen werden, die Details des Abkommens niederzuschreiben.
Griechenland soll Staatsvermögen in einen Fonds übertragen, den das Land unter Aufsicht europäischer Institutionen verwalten soll. Mit einem Teil der Verkaufserlöse sind Schuldenrückzahlungen geplant. Ein anderer Teil soll für staatliche Konjunkturspritzen genutzt werden.
Einen Privatisierungsfonds (Taiped) gibt es in Griechenland seit 2011. Schon damals hatten die Kreditgeber auf Erlöse von 50 Milliarden Euro gehofft. Bislang belaufen sich die Einnahmen aus den Privatisierungen jedoch nur auf etwa drei Milliarden Euro.
Wichtiges Thema bei den Gesprächen mit den Gläubigern ist zudem das zusätzliche Geld, das die griechischen Banken für ihre Rekapitalisierung brauchen werden. Schätzungen zufolge dürften sie mindestens zehn Milliarden Euro an frischem Kapital benötigen.
Die Gläubiger fordern von Athen unter anderem, Steuererleichterungen für Bauern abzuschaffen, Streiks durch neue Gesetze einzuschränken und den Arbeitsmarkt zu liberalisieren. Eine Einigung ist Bedingung für ein drittes Hilfspaket in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro.