Obama macht Druck auf Pakistan
Washington/Islamabad (dpa) - US-Präsident Barack Obama will endlich wissen, wer die Helfer von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan waren. „Wir glauben, dass es ein Unterstützernetzwerk für Bin Laden in Pakistan gegeben hat“, erklärte er in einem Fernsehinterview.
Pakistans Premierminister Yousaf Raza Gilani räumte Fehler ein. Die Sicherheitsbehörden hätten es nicht vermocht, den Aufenthaltsort Bin Ladens in der Garnisonsstadt Abbottabad ausfindig zu machen, sagte Gilani am Montag. „Aber das ist nicht nur unser eigenes Versagen, sondern das Versagen aller Geheimdienste dieser Welt.“
Eine Woche nach dem tödlichen Angriff der US-Navy-SEALs auf den Topterroristen forderte Obama die Regierung in Islamabad auf, die Helfer des Al-Kaida-Chefs zu ermitteln. Er sei sehr überrascht gewesen zu erfahren, dass sich der meistgesuchte Terrorist der Welt fünf bis sechs Jahre auf einem exponierten Gelände nahe der pakistanischen Hauptstadt habe aufhalten können, ohne dass es jemandem aufgefallen sei.
Das Haus in dem pakistanischen Ort Abbottabad sei nach bisherigen Kenntnissen eigens zu dem Zweck gebaut und abgesichert worden, um Bin Laden dort zu verstecken. Unklar sei, ob Bin Ladens Helfer aus dem Kreis der pakistanischen Regierung stammten, hieß es in dem Interview des Senders CBS. „Das ist etwas, was wir untersuchen müssen, und noch wichtiger: was die pakistanische Regierung untersuchen muss.“ Islamabad habe signalisiert, an der Aufklärung ein starkes Interesse zu haben. Dies sei jedoch keine Frage von drei oder vier Tagen. „Es wird uns einige Zeit kosten, die Geheiminformationen auszuwerten, die wir vor Ort sammeln konnten“, sagte Obama.
Der US-Präsident lobte auf der anderen Seite auch die bisherige Zusammenarbeit mit den pakistanischen Behörden. „Wir haben nirgendwo so viele Terroristen getötet wie auf pakistanischem Boden, und das wäre ohne pakistanische Hilfe nicht möglich gewesen“, erklärte er. Anhand des gefundenen Materials gehe er davon aus, dass die USA die Taliban im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet besiegen könnten.
Erstmals sprach Obama öffentlich über seine Gefühle, während er den Übergriff auf das Bin Laden-Versteck per Bildschirm im Situation Room des Weißen Hauses verfolgte. Dort sei es sehr still und angespannt gewesen. „Es waren die längsten 40 Minuten meines Lebens“, gab Obama zu. Nur als seine kleine Tochter Sasha im Alter von drei Monaten Meningitis gehabt habe, sei er ähnlich angespannt gewesen. Seine erste Sorge habe bei der Operation in Pakistan den Einsatzkräften der Navy SEALs gegolten und der Frage: „Wenn ich sie reinschicke, wie kann ich sie auch wieder herausholen?“
Pakistans Premier Gilani wies Spekulationen über eine mögliche Verwicklung des pakistanischen Geheimdienstes ISI oder anderer Stellen zurück. ISI und Armeeführung hätten das volle Vertrauen und die Unterstützung der Regierung, sagte der Premier. Zudem habe der Kampf gegen den Terrorismus „nationale Priorität“.
Vor dem Parlament kritisierte der Premier, dass die US-Aktion ohne Rücksprache mit den Pakistanern abgelaufen sei. Damit hätten die USA die staatliche Souveränität seines Landes verletzt. Gleichzeitig warnte er vor weiteren Alleingänge dieser Art. Sollten strategisch wichtige Einrichtungen (wie etwa die Atomanlagen) ins Visier geraten, habe Pakistan das Recht, „mit aller Macht zurückzuschlagen“. „Niemand sollte die Entschlossenheit und die Fähigkeiten der Nation und der Streitkräfte unterschätzen, unsere Heimat zu verteidigen“, so Gilani.