Opposition fordert Anerkennung von Völkermord in Namibia
Berlin (dpa) - Hundert Jahre nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia drängt die Opposition die Bundesregierung, die damaligen Massaker endlich als Völkermord anzuerkennen.
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, und Grünen-Parteichef Cem Ödzemir forderten eine offizielle deutsche Entschuldigung. Gysi sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa: „Es geht nicht, dass die Bundesregierung sich bei diesem Thema immer noch wegduckt.“
Zwischen 1904 und 1908 hatten kaiserliche Truppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika mindestens 85.000 Angehörige der aufständischen Volksgruppen Herero und Nama ermordet. Im Juli 1915, während des Ersten Weltkriegs, ging die deutsche Kolonialherrschaft dann zu Ende. Zwischen Deutschland und Namibia laufen derzeit Regierungsgespräche, in denen es neben der Anerkennung des Völkermord auch um finanzielle Entschädigung geht.
Zum 100. Jahrestag am 9. Juli wurde eine Unterschriftenaktion gestartet, mit der die Bundesregierung dazu gebracht werden soll, den Genozid auch so zu nennen. Zu den Unterzeichnern gehören mehrere Bundestagsabgeordnete sowie die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die 2004 bei einem Besuch in Namibia gesagt hatte: „Die damaligen Gräueltaten waren das, was man heute als Völkermord bezeichnen würde.“ So weit gingen die verschiedenen Bundesregierungen seither nie wieder.
Wieczorek-Zeul forderte Regierung, Bundestag und Bundespräsident Joachim Gauck auf, sich zur deutschen Schuld zu bekennen. Mit Blick auf eine Parlamentsdebatte im April sagte sie der dpa: „Der Völkermord an den Armeniern wurde im Bundestag vor wenigen Wochen klar benannt und die Türkei aufgefordert, sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen. Wir dürfen nicht nur andere auffordern, Position zu beziehen, sondern müssen das auch selber tun.“
Im gleichen Sinne äußerten sich Linke und Grüne. Gysi sagte: „Das Deutsche Reich hat zwischen 1904 und 1908 den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts verübt. Unter den Auswirkungen leiden die Menschen in Namibia noch heute.“ Özdemir sagte ebenfalls der dpa: „Dieses Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte darf nicht unbearbeitet bleiben. Als Rechtsnachfolger trägt die Bundesrepublik hier Verantwortung.“
Die Gespräche zwischen Bundesregierung und Regierung in Namibia kommen nach Angaben des Auswärtigen Amts „gut voran“, sind aber noch nicht abgeschlossen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat dazu den Afrika-Beauftragten des Auswärtigen Amts, Georg Schmidt, seit Beginn des Jahres zwei Mal nach Windhuk geschickt. Zu Oppositionszeiten hatte Steinmeier selbst einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem von „Völkermord“ die Rede war.