Ostasien-Experte: „Kim Jong Un beschleunigt die Eskalation“

Der Ostasien-Experte Rüdiger Frank warnt davor, die neuen Drohgebärden der Nordkoreaner als „Tamtam“ abzutun.

Berlin. Nordkorea hat am Freitag den Nichtangriffspakt mit Südkorea gekündigt. Zuvor hatte es bereits den USA mit einem präventiven Atomschlag gedroht. Steckt dahinter mehr als die gewohnte aggressive Rhetorik in Pjöngjang? Der Vorstand des Instituts für Ostasienwissenschaften an der Universität Wien, Rüdiger Frank, warnt im Gespräch mit unserer Zeitung davor, die Lage auf der koreanischen Halbinsel zu unterschätzen.

Herr Frank, haben wir es mit einer neuen Eskalationsstufe zu tun?

Frank: Wenn jetzt noch Kim Jong Il an der Macht wäre, dann könnte man sagen, ja, das ist das übliche Säbelrasseln. Das Problem ist, dass sein Sohn Kim Jong Un seit rund einem Jahr an der Macht ist. Und über den wissen wir einfach noch zu wenig. Fest steht, dass Kim Jong Un die Eskalationsspirale schneller in Bewegung setzt als sein Vorgänger. Immerhin gab es unter ihm schon drei Raketen- und Atomtests innerhalb von zehn Monaten. Früher waren da jeweils mehrere Jahre dazwischen.

Und was lehrt Sie das?

Frank: Dass wir das erwartbare Verhalten der früheren nordkoreanischen Führung nicht mehr einfach auf die Gegenwart übertragen können. Es wäre also falsch, gleich von vornherein zu sagen, das sei das übliche Tamtam.

Könnte die neue Drohkulisse innenpolitisch motiviert sein?

Frank: Natürlich kann das Verhalten nach innen gerichtet sein. Wobei allerdings unklar ist, wer genau in Nordkorea damit angesprochen werden soll. Das Volk, dem man sagen will, wie werden von außen bedroht, deshalb läuft es so schlecht mit der Versorgung? Oder will Kim Jong Un bestimmten Macht-Gruppen signalisieren, er sei der starke Mann? Es könnte aber auch ein Signal an Südkorea, China und die USA sein, dass man sich nicht von der internationalen Isolierung beeindrucken lassen will.

Auch China hat den Sanktionen der Vereinten Nationen zugestimmt. Entzieht Peking den seine schützende Hand?

Frank: Es scheint so zu sein, dass die Chinesen sich mittlerweile so stark fühlen, einen verbündeten Staat auch mal im Regen stehen lassen zu können. Das wäre tatsächlich eine neue Qualität in Chinas Außenpolitik. Denn bislang ist es so gewesen, dass sich Peking als Führungsmacht in der Region profiliert und dabei seine Schützlinge gegen die Amerikaner diplomatisch verteidigt.

Wäre Nordkorea technisch überhaupt in der Lage, einen Atomkrieg zu führen?

Frank: Immerhin ist Nordkorea in der Lage, eine dreistufige Rakete ins Weltall zu schießen. Da kann man zumindest von einer gewissen Grundfähigkeit ausgehen. Diese Fähigkeit den Nordkoreanern abzusprechen, wie es die meisten tun, suggeriert dem Land, es müsse sich ranhalten, um noch bessere Waffen zu haben, damit der Westen dem Land endlich glaubt. Allein der Vorgang, irgendwo eine Atombombe zünden zu können, ist doch schon Problem genug.