Rebellen stoßen vor Sirte auf Widerstand
Tripolis/Kairo (dpa) - Der Vormarsch der libyschen Rebellen ist trotz militärischer Hilfe aus der Luft ins Stocken geraten. Nach Einnahme aller strategisch wichtigen Öl-Häfen im Osten stießen die Aufständischen am Montag vor der Stadt Sirte auf Widerstand der Regierungstruppen.
Sirte ist die Heimatstadt von Machthaber Muammar al-Gaddafi und liegt auf halbem Weg zwischen der Rebellenhochburg Bengasi und der Hauptstadt Tripolis. Ohne Luftangriffe der internationalen Allianz dürfte die Stadt nur schwer zu erobern sein.
Die Außenminister von mehr als 35 Nationen beraten an diesem Dienstag in London über eine diplomatisch-politische Lösung des Konflikts. Zu dem Treffen wird auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erwartet. Paris und London riefen regimetreue Libyer zur Abkehr von Gaddafi auf.
Die Anti-Gaddafi-Milizen stünden noch etwa 120 Kilometer östlich von Sirte, verlautete am Montag aus Quellen in Tripolis. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete, die Rebellen hätten das Wadi al-Ahmar (Rotes Tal) westlich von Nofilia erreicht. Die Talsenke sei von Gaddafi-Truppen vermint worden. Auch würden hinter den dahinterliegenden Anhöhen Stellungen der Regime-Streitkräfte vermutet.
Die westliche Militärkoalition flog am Montagmorgen Angriffe auf Stellungen Gaddafi-treuer Truppen in Sirte. Staatliche Medien berichteten von neun Explosionen in der Mittelmeerstadt. Auch gegen die Hauptstadt Tripolis seien in der Nacht Luftschläge geführt worden. Französische Kampfflugzeuge bombardierten am Sonntagabend eine militärische Kommandozentrale in der Nähe von Tripolis. Gaddafis Artillerie beschoss indes die Stadt Al-Sintan südwestlich von Tripolis mit Raketenwerfern vom Typ Grad, berichtete Al-Dschasira unter Berufung auf einen Oppositionssprecher.
Rund 200 Gaddafi-treue Soldaten ergaben sich in der Öl-Förderstadt Dschalu, 400 Kilometer südlich von Bengasi im Landesinneren, den Aufständischen, nachdem sie von den entlang der Mittelmeerküste abziehenden Truppen abgeschnitten worden waren.
Die Botschafter der 28 Nato-Staaten hatten am Sonntag die Übernahme des Kommandos für den gesamten internationalen Militäreinsatz beschlossen. Dies gelte „mit sofortiger Wirkung“, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Abend in Brüssel.
„Unser Ziel ist es, Zivilisten und von Zivilisten bewohnte Gebiete zu schützen, die von einem Angriff durch das Gaddafi-Regime bedroht sind.“ Die Nato-Mitglieder müssten nun entscheiden, ob und wie sie sich daran beteiligen wollten, sagte Rasmussen. Als erstes und einziges Bündnisland hat Deutschland eine militärische Beteiligung ausgeschlossen.
Die Bundesregierung wies am Montag Spekulationen über einen deutsch-italienischen Friedensplan für Libyen zurück. Deutschland stehe in einem ständigen Austausch mit seinen internationalen Partnern - „also auch, aber nicht nur mit Italien“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Italiens Außenminister Franco Frattini hatte am Wochenende eine deutsch-italienische Achse zur Beilegung des Libyen-Konflikts ins Gespräch gebracht. Am Montag ruderte er aber zurück: Jede Spaltung müsse vermieden werden. Es gehe darum, eine gemeinsame Lösung zu finden für „das neue Libyen, das nach Gaddafi“.
Dass Gaddafi ins Exil geht, ist nach Frattinis Worten eine Option, die von der internationalen Gemeinschaft erörtert wird. „Ich bezweifele, dass er gehen will, die internationale Gemeinschaft muss aber darauf bestehen.“ Die „Washington Post“ zitierte am Montag ungenannte US-Regierungsbeamte, die einen Sieg der Rebellen für eher unwahrscheinlich halten. Sie meinen, dass Gaddafis Regime wegen des internationalen Drucks entweder von selbst zerbricht oder dass ein Ende seiner 41-Jährige Herrschaft am Verhandlungstisch erzielt wird.
„Gaddafi muss sofort gehen. Wir appellieren an seine Anhänger, sich von ihm loszusagen, bevor es zu spät ist“, heißt es in einem am Montag verbreiteten Schreiben von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und dem britischen Premierminister David Cameron. Der internationale Militäreinsatz werde so lange dauern, bis die Bevölkerung in Sicherheit sei. Zeitgleich müsse jedoch die politische Zukunft des Landes geplant werden. Dabei könne der Nationale Übergangsrat eine zentrale Rolle spielen.
US-Präsident Barack Obama wollte in der Nacht zum Dienstag (MESZ) die Motive für den Waffengang erläutern und die Erfolge im Kampf gegen das Gaddafi-Regime darlegen. Laut „New York Times“ haben die USA damit begonnen, ihre Truppenpräsenz in der Region zu reduzieren. Mindestens ein U-Boot, von dem Marschflugkörper auf libysche Einrichtungen abgefeuert wurden, habe die Gegend verlassen. Weitere US-Kriegsschiffe sollten folgen, verlautete aus dem Pentagon.
Russland kritisierte die internationalen Luftangriffe auf Einheiten Gaddafis erneut als „unerlaubte Militärintervention“. Die Unterstützung der Rebellen sei ein Verstoß gegen die UN-Resolution, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bot die Vermittlung einer baldigen Waffenruhe in Libyen an. In der britischen Zeitung „The Guardian“ warnte er davor, dass ein langwieriger Konflikte das Land in einen „zweiten Irak“ oder „ein weiteres Afghanistan“ verwandeln könnte.
Der Golfstaat Katar erkannte als erstes arabisches Land die Übergangsregierung der Rebellen in Bengasi an, wie das Außenministerium in Doha mitteilte. Katar hatte sich als erstes arabisches Land dem westlichen Militärbündnis gegen Gaddafi angeschlossen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) beteiligen sich mit Kampfflugzeugen an den Militäraktionen in Libyen.