Scharfe Kritik aus den USA Saudi-Arabien nach Angriff auf Trauerfeier unter Druck
Sanaa (dpa) - Saudi-Arabien gerät nach einem verheerenden Luftangriff auf eine Trauerfeier in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa international unter Druck. Als Reaktion auf das Bombardement, bei dem am Samstag mindestens 140 Menschen starben, kritisierte die US-Regierung ihren Verbündeten ungewöhnlich scharf.
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Ned Price, erklärte, die Sicherheitszusammenarbeit mit dem sunnitischen Königreich sei „kein Blanko-Scheck“. Augenzeugen sagten, im Gebäude hätten sich zur Zeit des Angriffs mehr als 1000 Menschen aufgehalten.
Der Luftangriff auf die voll besetzte Trauerhalle, in der eine Zeremonie für den gestorbenen Vater eines Ministers der örtlichen Rebellen stattfand, ist einer der schwersten seit Beginn des Bürgerkriegs. Das UN-Nothilfebüro Ocha sprach unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsbehörde von mindestens 140 Toten und 525 Verletzten. Unter den Toten war Sicherheitsbeamten zufolge auch der Gouverneur Sanaas, Abdel Kader Helal.
Von dem Gebäude blieb nach dem Angriff nur noch eine Ruine übrig. Auch noch am Sonntag waren Helfer mit dem Sammeln von Leichenteilen unter den Trümmern beschäftigt.
Den Huthi-Rebellen zufolge ist das von Saudi-Arabien geführte sunnitische Bündnis für die Luftangriffe verantwortlich. Die Allianz bestritt das und kündigte eine Untersuchung gemeinsam mit US-Experten an. Allerdings bombardiert - abgesehen von einzelnen US-Drohnenangriffen auf Terroristen - keine andere Macht den Jemen.
Price erklärte weiter, die USA hätten eine sofortige Überprüfung der bereits deutlich reduzierten Hilfe für das saudisch geführte Bündnis eingeleitet. „Und wir sind bereit, unsere Unterstützung anzupassen, um den Prinzipien, Werten und Interessen der USA besser gerecht zu werden.“
In Sanaa demonstrierten am Sonntag Tausende Menschen, vor allem Unterstützer der Huthis, vor einem UN-Büro. Sie forderten die Vereinten Nationen auf, die Tat zu verurteilen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verlangte eine schnelle und unabhängige Untersuchung.
Der einflussreiche Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh rief zum Kampf an der saudischen Grenze auf. Die bewaffneten Einheiten und die Sicherheitskräfte des Landes sollten sich an die Frontlinien begeben, um für die Bombardierung „Rache“ zu üben, sagte Saleh in einer TV-Ansprache seines eigenen Senders. Er war jahrzehntelang Präsident des Jemen, bis er im Zuge der arabischen Aufstände gestürzt wurde. Große Teile der Armee sind Saleh noch immer treu verbunden.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte den Angriff, ohne einen potenziellen Schuldigen zu benennen: „Entsetzt verfolgen wir die militärische Eskalation der letzten Wochen und insbesondere die hohe Zahl ziviler Opfer in diesem Konflikt.“ Der Koordinator des UN-Büros für humanitäre Hilfe (Ocha), Stephen O'Brien, nannte die Tat „schrecklich und abscheulich“. Die Zahl der Opfer werde wahrscheinlich noch weiter steigen, befürchtete er.
Das Militärbündnis teilte über die staatliche saudischen Agentur SPA mit, es kenne die Berichte über die „bedauerliche und schmerzliche Bombardierung“ der Trauerhalle. Die Streitkräfte des Bündnisses hätten klare Anweisungen, keine belebten Gebiete anzugreifen und zivile Opfer zu vermeiden. Zuvor hatte das Bündnis nach Medienangaben bestritten, in der Region am Samstag Einsätze geflogen zu haben.
Jemens Hauptstadt Sanaa ist seit September 2014 unter der Kontrolle der Huthis, die gegen Truppen der Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi kämpfen. Die Angriffe des saudischen Bündnisses hatten im März 2015 begonnen und trafen neben Huthi-Stellungen immer wieder auch humanitäre Einrichtungen, Märkte oder Hochzeiten. Den UN zufolge wurden alleine zwischen Juli 2015 und Juni 2016 knapp 1300 Zivilisten durch die Luftschläge getötet.
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hatte kürzlich ihr Personal aus dem Norden des Landes abgezogen und als Gründe „willkürliche Bombardements“ und „unzuverlässige Zusicherungen“ des Militärbündnisses angeführt.
Die USA stützten den Kurs Saudi-Arabiens bislang und verlangen von den Huthis, sich aus den großen Städten im Jemen zurückzuziehen sowie ihre Waffen abzugeben. US-Außenminister John Kerry hatte Ende August trotz der Vielzahl getöteter Zivilisten gesagt, das militärische Vorgehen Riads sei eine Antwort auf die Gewalt aus dem bitterarmen Nachbarland. Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und anderen Berichten zufolge setzt die Koalition auch Bomben US-amerikanischer Bauart ein.