Bürgerkrieg in Syrien Schlag gegen Rebellen: Regime nimmt große Teile Aleppos ein
Aleppo (dpa) - Das syrische Regime hat im Kampf um Aleppo die Rebellen in wichtigen Teilen der Großstadt zurückgeschlagen und damit eine neue Fluchtbewegung ausgelöst.
Die Armee und ihre Verbündeten nahmen nach heftigen Kämpfen und Luftangriffen den kompletten Norden der Rebellengebiete Aleppos ein, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und die staatliche Nachrichtenagentur Sana am Montag meldeten. Damit haben die Regimegegner mehr als ein Drittel des bislang von ihnen kontrollierten Gebietes in der Stadt verloren. „Das ist die schwerste Niederlage der Rebellen, seitdem sie Aleppo 2012 eingenommen haben“, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.
Rund 6000 Menschen seien in einen von Kurden beherrschten Stadtteil geflohen, erklärten die Menschenrechtler. Das Auswärtige Amt in Berlin forderte, dass die Kampfhandlungen eingestellt werden müssten. „Der Menschen in Aleppo willen ist eine sofortige humanitäre Feuerpause notwendig“, sagte eine Sprecherin der Ministeriums am Montag. Viele der Geflüchteten seien schwer verletzt, ohne noch die geringste Chance auf überlebensnotwendige medizinische Hilfe zu haben. „Diese Tragödie muss ein Ende haben. Dafür tragen das Regime und seine Unterstützer, allen voran Russland und Iran, die größte Verantwortung.“ Humanitären Zugang zu gewähren sei ein Gebot der Menschlichkeit und der humanitären Normen, so die Sprecherin.
Von den Kurden verbreitete Bilder zeigten, wie Menschen nur mit dem Nötigsten als Gepäck in dem Viertel Scheich Maksud ankamen. Etwa 4000 Zivilisten zogen laut den Menschenrechtlern in Stadtteile, die kürzlich vom Regime eingenommen worden waren. Aktivisten der Opposition berichteten zugleich, viele Menschen flöhen auch in andere Rebellengebiete im Südosten Aleppos.
Die frühere Handelsmetropole gehört im bald sechs Jahre dauernden syrischen Bürgerkrieg zu den umkämpftesten Gebieten. Als neben Damaskus größte Stadt des Landes ist sie strategisch und symbolisch wichtig. Bislang ist Aleppo geteilt: Das Regime und Verbündete kontrollieren die Stadtteile im Westen, Rebellen den Osten. Die Oppositionsgebiete sind seit Anfang September wegen einer Blockade der Armee von der Außenwelt abgeschottet. Mehrere Versuche, eine dauerhafte Waffenruhe für die Stadt zu erreichen, scheiterten in den vergangenen Monaten.
Die Armee und ihre Verbündeten gewannen am Montag unter anderem die Kontrolle über die Stadtteile Al-Sachur und Al-Haidarija, wie die Menschenrechtler meldeten. Nach russischen Militärangaben nahmen Regimekräfte zwölf Stadtviertel ein. Aktivisten aus der Stadt berichteten den ganzen Tag über von heftigen Luftangriffen. Russland ist Syriens wichtigster Verbündeter und bombardiert seit mehr als einem Jahr Ziele im Land, darunter auch immer wieder in Aleppo.
Den Regimegegnern droht nun in der seit Monaten umkämpften Stadt ein totaler Zusammenbruch. Sollte das Regime den bislang von der Opposition kontrollierten Osten Aleppos vollständig einnehmen, wäre das ein massiver Rückschlag für die Rebellen. In diesem Fall hätte die Regierung die Kontrolle über alle großen Städte zurückgewonnen. Der Fall Aleppos könnte ein Wendepunkt im Bürgerkrieg sein.
Im Osten Aleppos sollen nach Schätzungen noch rund 250 000 Menschen leben. Wegen der Blockade fehlt es in den Rebellengebieten akut an Lebensmitteln, sauberem Trinkwasser, Strom und medizinischer Versorgung. Das internationale Rote Kreuz warnte, in dem eingekesselten Gebiet gingen die Nahrungsmittel zur Neige.
Nach heftigen Bombardierungen durch Syriens Regime und Russland sind der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) zufolge acht von neun Krankenhäusern außer Betrieb. Die lokale Rettungshilfsorganisation Weißhelme erklärte Aleppo zu einer „völlig zerstörten Stadt“, in der sich eine „humanitäre Katastrophe“ abspiele. Die Organisation habe fast alle Geräte zur Rettung von Zivilisten verloren.
Auch in anderen Teilen Syriens ist die Opposition auf dem Rückzug. Nach einem Abkommen mit dem Regime zogen rund 350 Rebellen mit ihren Familien aus dem Ort Khan Scheichun rund 20 Kilometer südwestlich von Damaskus ab, wie es aus Regierungskreisen hieß. Busse hätten sie in die von Rebellen kontrollierte Provinz Idlib im Nordwesten Syriens gebracht. Ihre Waffen hatten sie demnach zuvor abgegeben.