Schulkrieg in Spanien: Familien rebellieren gegen Hausarbeiten

Streik ausgerufen. „Zu Viele Aufgaben“ - Lehrer sind empört

In Spanien haben Familien der „Hausaufgaben-Flut“ den Krieg erklärt. Im November sollen die Hausaufgaben zunächst nur an den Wochenenden „bestreikt“ werden, wie der Dachverband der Familien mit Kindern an öffentlichen Schulen (CEAPA) am Mittwoch mitteilte.

Foto: Luis Tejido

Madrid. Viele spanische Mütter und Väter haben die Nase voll: Sie protestieren dagegen, dass ihre Kinder von den Lehrern nach ihrer Meinung zu viele Hausaufgaben bekommen und nachmittags oder am Wochenende keine Freizeit mehr haben. Deswegen rief die nationale Elternorganisation Ceapa, welche 12.000 Elternvereine an öffentlichen Schulen vertritt, nun zum Hausarbeitsstreik auf.

Spaniens Pädagogen sind freilich alles andere als erfreut über diesen Aufruf zum Schülerungehorsam: „Der Boykott ist ein Angriff auf die Autorität der Lehrerschaft“, erklärte der Verband Anpe. Die Streikkampagne untergrabe alle Bemühungen zu einer vernünftigen Zusammenarbeit von Eltern, Lehrern und Schülern - dies sei eher kontraproduktiv für die Lernenden.

Zunächst ist der Aufstand auf einen einmonatigen Warnstreik beschränkt: Die Schüler dürfen nun im November - mit Erlaubnis ihrer Eltern - alle Aufgaben, die von den Schulpädagogen übers Wochenende erteilt werden, verweigern. Sollte der Protest bei Lehrern und Bildungspolitikern auf taube Ohren stoßen, soll im kommenden Jahr ein unbefristeter „Generalstreik“ gegen alle Hausaufgaben ausgerufen werden.

Die Schularbeitsflut „provoziert eine Verlängerung des Schultags, der an nicht hinnehmbare Grenzen stößt“, klagen die Familien in einem Manifest mit dem Namen „Nein zu den Hausaufgaben“. Die Schulwoche samt Übungen zu Hause summierten sich zuweilen zu einer 60-Stunden-Woche. „Die Schüler müssen mehr arbeiten als ein Erwachsener.“ Es sei offensichtlich, dass in den Schulen vor allem ein Fach fehle: „Die Freizeit der Kinder und Jugendlichen.“

Der Elternverband Ceapa sieht sich in seinem Angriff auf die schulischen Hausübungen von internationalen Studien bestätigt. Nach einer Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation fühlten sich nahezu zwei Drittel der spanischen 15-Jährigen durch die Schularbeiten überlastet. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Oecd) habe bestätigt, dass die Kinder zu Hause mehr paukten als die Altersgenossen in den meisten anderen EU-Ländern.

Ein Extra-Zeitaufwand, der sich freilich nicht in den schulischen Ergebnissen widerspiegelt. Im europäischen Vergleich befindet sich Spanien bei den Resultaten der Pisa-Studie zum Bildungsniveau regelmäßig unter dem Durchschnitt. Auch die Quote der Schul- und Ausbildungsabbrecher liegt in Spanien mit 20 Prozent in 2015 fast doppelt so hoch wie der EU-Schnitt. Damit ist Spanien europäisches Schlusslicht.

Mehr Hausaufgaben seien halt nicht gleichbedeutend mit besseren Schulergebnissen, sagt José Luis Pazos, Vorsitzender der spanischen Elternvereinigung. „Die Länder mit der besten Bildungsqualität haben die Hausaufgaben reduziert oder ganz abgeschafft und benutzen jetzt andere pädagogische Methoden.“

Zu Spaniens Problemen gehört aber auch, dass die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy in den letzten Jahren im Bildungssektor milliardenschwere Einsparungen und Stellenkürzungen beschloss. Immer weniger Erzieher und Lehrer müssen sich um immer mehr Kinder kümmern. Riesenklassen mit 35 oder sogar 40 Schülern sind an öffentlichen Schulen keine Seltenheit. In vielen Einrichtungen fehlt Geld für Computer, aber auch für Fotokopien, Kreide oder sogar Klopapier. (ze)