Schweizer entscheiden über Managergehälter
Kommt eine Deckelung der Bezüge? Am Sonntag wird über die Initiative abgestimmt.
Basel. Rascher war im Berliner Koalitionspoker kaum eine andere Frage vom Tisch: Volksentscheide über Europathemen oder etwa zu beschlossenen Gesetzen? Das war wohl bloß mal so eine Idee. Was Deutschen wie politische Science-Fiction vorkommen mag, ist für Schweizer demokratische Selbstverständlichkeit: Nicht Politiker haben das letzte Wort, sondern stets das Volk. Wenn ein Thema auch nur einigermaßen wichtig ist, gibt es dazu ein Referendum.
Am Sonntag stehen die rund 5,2 Millionen wahlberechtigten Bürger der Eidgenossenschaft unter anderem vor folgender Frage: Muss eine Gehaltsbremse für Spitzenmanager gesetzlich festgelegt werden? Die „Initiative 1:12“ bewegt die Gemüter: Soll das höchste Einkommen in einem Unternehmen künftig maximal das Zwölffache des jeweils niedrigsten betragen dürfen? Für den Antrag, darüber das Volk entscheiden zu lassen, konnten die Jungsozialisten problemlos die erforderliche Mindestzahl von 100 000 Unterschriften sammeln.
Das heißt aber längst nicht, dass der Vorschlag von der Mehrheit der Wahlberechtigten angenommen wird. Denn die Wirtschaft warnt: Kein ausländisches Unternehmen werde im Falle der Annahme von „1:12“ noch in die Schweiz ziehen wollen, wie es beim Weltkonzern Nestlé hieß.
Wut auf „Abzocker“ ist auch in der Schweiz verbreitet. Dennoch deuten Umfragen auf eine Niederlage der „1:12“-Initiative hin. In Jahrzehnten direkter Demokratie haben die Eidgenossen gelernt, vor Referenden das Für und Wider abzuwägen und sachbezogen zu entscheiden — von Ausrutschern wie dem international kritisierten Bauverbot für Minarette im Jahr 2009 einmal abgesehen.
Daten der Steuerverwaltung in Bern zeigen, dass die reichsten zehn Prozent der Schweizer Einwohner gut 80 Prozent der Bundessteuern abliefern. „Ich bin überzeugt, dass die Schweizer Bevölkerung in wirtschaftlichen Fragen offen, pragmatisch und vernünftig ist“, sagt daher auch der Chef des Pharma-Konzerns Roche, Severin Schwan.
Dass Deutsche sich anscheinend damit zufriedengeben, alle paar Jahre Volksvertreter wählen zu dürfen, ohne zwischendurch stets per Referendum mitentscheiden zu können, wundert derweil so manchen in der Schweiz. „Bei uns regiert nicht die Regierung“, wird Ausländern selbstbewusst erklärt. „Bei uns regiert das Volk.“