Internationales Gipfeltreffen Biden überrascht mit Ukraine-Zusage vor G20-Gipfel in Rio

Washington · Immer wieder hat die Ukraine Washington darum gebeten, den Einsatz weitreichender Waffen auch gegen Ziele in Russland zu erlauben. Doch die USA gaben sich unberührt. Bis jetzt.

Biden überrascht mit Ukraine-Zusage vor G20-Gipfel in Rio
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US-Präsident Joe Biden kommt mit einer überraschenden Zusage für die von Russland angegriffene Ukraine im Gepäck zum G20-Gipfel nach Brasilien. Medienberichten zufolge hat Biden der Ukraine den Einsatz weitreichender Raketen gegen bestimmte Ziele in Russland erlaubt. Dabei geht es zunächst um die Verteidigung der von Ukrainern gehaltenen Gebiete in der westrussischen Region Kursk. Die Kehrtwende der US-Regierung so kurz vor dem Gipfel ist beachtlich. Auch Deutschland könnte nun unter Druck geraten: Die Entscheidung der Amerikaner dürfte die Debatte über den Marschflugkörper Taurus neu entfachen. Eine Taurus-Lieferung an die Ukraine lehnt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ab.

Trumps Wiedereinzug ins Weiße Haus wirft Schatten voraus

Das Treffen der Staats- und Regierungschefs führender Wirtschaftsmächte (G20) beginnt heute in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro. Es ist wohl Bidens letztes großes internationales Treffen als US-Präsident. Im Januar zieht sein designierter Nachfolger Donald Trump ins Weiße Haus ein. Der Republikaner ist ein großer Gegner von Bidens Politik - und hat immer wieder die milliardenschwere US-Hilfe für die Ukraine infrage gestellt. Er hat angekündigt, den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden zu wollen - allerdings hat er offengelassen, wie. Trump dürfte viele von Bidens Errungenschaften zunichtemachen.

Daher gilt Biden eigentlich als „lahme Ente“ beim Gipfel - denn weitreichende Versprechungen kann der 81-Jährige nicht machen. Mit der Zusage für die Ukraine hat Biden die Karten in Rio nun zumindest etwas neu gemischt. Der „Washington Post“ zufolge will das Weiße Haus die Ukraine mit der Genehmigung in die bestmögliche Position für die Friedensgespräche bringen. Außerdem ist sie eine Reaktion auf die Stationierung Tausender nordkoreanischer Soldaten in der Region.

Bisher galt Ausnahme nur für Charkiw

Konkret soll es den Berichten zufolge um die Erlaubnis des Einsatzes von Raketen für das ATACMS-Artilleriesystem mit hoher Reichweite gehen. Die Waffen werden wahrscheinlich zunächst gegen russische und nordkoreanische Truppen eingesetzt, um die ukrainischen Streitkräfte in der Region Kursk im Westen Russlands zu verteidigen. Dort zeichnet sich eine Gegenoffensive Moskaus ab. Auf Nachfragen zu den Berichten wollten sowohl das Weiße Haus als auch das Pentagon die Berichte nicht kommentieren.

Bislang beschränkten die USA den Einsatz ihrer Waffen gegen Russland auf die Abwehr der russischen Offensive gegen die ostukrainische Stadt Charkiw. Hier haben die USA den Einsatz des Raketenwerfersystems vom Typ Himars erlaubt. Die Ukraine bittet seit längerem um eine Freigabe weitreichender Waffen aus US-Produktion für den Einsatz auf russischem Territorium. Als Begründung wird von Kiew angeführt, dass nur so russische Militärflughäfen erreicht werden können, von denen Kampfjets aufsteigen, um auf ukrainische Ziele Gleitbomben abzuwerfen oder Raketen abzufeuern.

Debatte um deutschen Marschflugkörper Taurus

Die bisher von Washington bereitgestellten ATACMS-Raketen verfügen über eine Reichweite von gut 300 Kilometern. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte in der Vergangenheit eingeräumt, dass das russische Militär seine Kampfflugzeuge bereits seit einiger Zeit auf andere, weiter entfernte Flugplätze verlegt habe. Damit sind viele strategische Ziele in Russland auch mit diesen Waffen nicht erreichbar.

Auch Ziele im etwa 450 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernten Moskau sind nur mit anderen Waffen wie etwa dem deutschen Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von rund 500 Kilometern erreichbar. Bundeskanzler Scholz hat eine Lieferung dieser Präzisionswaffe bisher aber klar ausgeschlossen und das damit begründet, dass mit diesen Waffen der Kreml getroffen werden könnte.

Grüne, FDP und Union für Taurus-Lieferung

Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck hat hingegen angekündigt, dass er im Fall einer Wahl zum Regierungschef Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern würde. Die FDP zieht nach dem Ampel-Aus in Erwägung, eine Abstimmung über den Taurus-im Bundestag herbeizuführen. Auch die Union ist für die Lieferung.

Die weitreichendste von Deutschland an die Ukraine gelieferte Waffe ist bisher der Raketenwerfer Mars II, der Ziele in 84 Kilometern Entfernung treffen kann. Für ein begrenztes Gebiet rund um Charkiw hat die Bundesregierung den Einsatz dieser Waffe oder auch der Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von 56 Kilometern auch gegen Ziele auf russischem Boden erlaubt.

Putin und Selenskyj fehlen in Rio

Offen ist nun, ob die USA Kiew den Einsatz weitreichender Raketen schon länger erlauben - dies aber womöglich jetzt erst kommuniziert haben. Schon vor der Wahlniederlage seiner Demokraten hatte der US-Präsident zugesagt, die Hilfe für die Ukraine aufzustocken. Dabei geht es auch um sein Vermächtnis. Die USA sind unter Biden der wichtigste Verbündete und größte Waffenlieferant der Ukraine in deren Abwehrkampf gegen Russland. Der Demokrat hat sich eisern hinter die Ukraine gestellt und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mehrfach in Washington empfangen.

Zum G20-Gipfel in Rio ist Selenskyj hingegen nicht geladen. Gastgeber und Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte, dass der G20-Gipfel kein Ort sein werde, um den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu diskutieren. Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Gipfelteilnahme hingegen abgesagt - wie schon in den vergangenen beiden Jahren nach der russischen Invasion in der Ukraine. Stattdessen ist der russische Außenminister Sergej Lawrow angereist. Seine Ankunft in Rio fiel in etwa auf dieselbe Zeit wie die Veröffentlichung der Berichte über die US-Entscheidung.

Moskaus Außenamtssprecherin Maria Sacharowa wollte sich nicht zu den Berichten äußern und verwies darauf, dass Präsident Putin bereits alles gesagt habe. Er hatte im September gedroht, dass die Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Raketen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet eine Beteiligung der Nato am Krieg bedeute.

© dpa-infocom, dpa:241117-930-291530/5

(dpa)