Wahlen in der Türkei Sieger Erdogan: Wahl wird Jahrhundert unseres Landes prägen

Istanbul (dpa) - Nach seinem Wahlsieg in der Türkei kann Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mindestens fünf Jahre lang mit deutlich mehr Macht weiterregieren. Der Kandidat der größten Oppositionspartei CHP, Muharrem Ince, räumte am Montag in Ankara seine Niederlage ein.

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Die Präsidenten- und Parlamentswahlen vom Sonntag bezeichnete Ince dennoch als unfair. Zugleich äußerte der Kandidat der Mitte-Links-Partei große Sorgen über die Zukunft des Landes. In der Türkei gebe es nun eine „Ein-Mann-Herrschaft“ Erdogans. Internationale Wahlbeobachter kritisierten, die Kandidaten hätten bei den Wahlen nicht dieselben Chancen gehabt.

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Ince sagte, es habe Unregelmäßigkeiten gegeben, die das Wahlergebnis nicht aber entscheidend beeinflusst hätten. „Haben sie Stimmen gestohlen? Ja, bestimmt haben sie das. Aber haben sie zehn Millionen Stimmen gestohlen? Nein. Und ich erkenne das Wahlergebnis an.“ Erdogan kam nach Auszählung fast aller Stimmen auf 52,59 Prozent, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Ince gewann 30,64 Prozent. Die Differenz zwischen beiden betrug knapp elf Millionen Stimmen. Die „Plattform für faire Wahlen“ aus Wahlbeobachtern der türkischen Opposition kam auf ähnliche Ergebnisse.

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Mit den Wahlen wurde die Einführung des von Erdogan angestrebten Präsidialsystems abgeschlossen. Erdogan wird damit künftig Staats- und Regierungschef und ist mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft. Erdogan sagte bei seiner Siegesrede am frühen Montagmorgen in Ankara, es habe sich um Wahlen gehandelt, „die das künftige halbe Jahrhundert, die das Jahrhundert unseres Landes prägen werden“.

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Die Wahlkommission teilte am Montag mit, das amtliche Endergebnis der Präsidenten- und Parlamentswahlen werde am 5. Juli bekanntgegeben. Anadolu meldete, Erdogan solle voraussichtlich am 8. Juli vereidigt werden. Dann solle vermutlich auch das Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen.

Die Wahlkommission hatte Erdogan bereits in der Nacht zum Montag die absolute Mehrheit in der ersten Runde der Präsidentenwahl bescheinigt. Bei der zeitgleichen Parlamentswahl errang das von Erdogans islamisch-konservativer AKP angeführte Parteienbündnis nach Anadolu-Angaben außerdem die absolute Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung. Erdogan hatte die ursprünglich für November 2019 geplanten Wahlen um fast eineinhalb Jahre vorgezogen.

Ince sagte am Montag: „Diese Wahl war, angefangen von der Art ihrer Ankündigung bis hin zur Verkündung der Ergebnisse, alles in allem eine unfaire Wahl.“ Das „neue Regime“ sei eine große Gefahr für die Türkei. Eine Partei, „sogar eine einzige Person“, sei Staat, Exekutive, Legislative und Justiz geworden. „Im System gibt es keinen Mechanismus, der der Willkür und Grobheit im Weg steht“, sagte er. Er werde weiter kämpfen und aktiver Politiker bleiben.

Die Wahlen am Sonntag hatten unter dem Ausnahmezustand stattgefunden. Besonders die überwiegend regierungsnahen Medien hatten den Wahlkampf Erdogans ausführlich dokumentiert. Ince und andere Oppositionskandidaten bekamen dagegen deutlich weniger Raum. Der Präsidentenkandidat der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, musste seinen Wahlkampf aus der Untersuchungshaft heraus führen. Erdogan hatte dennoch von einem „Fest der Demokratie“ gesprochen.

Die Leiterin der Beobachterdelegation des Europarates (PACE), Olena Sotnyk, sagte am Montag in Ankara: „Leider hatten die Kandidaten nicht die gleichen Chancen.“ Der Ausnahmezustand habe mit seinen Restriktionen für Medien und die Versammlungsfreiheit den „Raum für demokratische Debatten beschränkt“.

Die Chefin der Beobachter-Mission des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), Audrey Glover, hob hervor, dass vor allem im Südosten Wahllokale verlegt worden seien. Beobachter seien behindert und Wähler eingeschüchtert worden. „Die Wähler hatten eine echte Wahl, aber sie hatten es schwer, ihr Wahlrecht zu nutzen“, sagte Glover. OSZE und PACE hatten insgesamt rund 330 Beobachter in der Türkei im Einsatz. Die Opposition hatte bei der Stimmenauszählung Manipulationsvorwürfe erhoben.

Bei der Parlamentswahl kam das von Erdogans AKP geführte Parteienbündnis nach Anadolu-Angaben auf deutlich mehr als 340 der 600 Sitze. Alleine hätte die AKP die Mehrheit verloren. Der pro-kurdischen HDP gelang mit 11,7 Prozent der Wiedereinzug in die Nationalversammlung.

Anadolu zufolge lag die Wahlbeteiligung in der Türkei bei gut 88 Prozent. Knapp 60 Millionen Türken waren zur Wahl aufgerufen, mehr als drei Millionen davon leben im Ausland. In Deutschland, wo nur etwa jeder zweite Wahlberechtigte die Stimme abgab, erzielte Erdogan mit knapp 65 Prozent ein deutlich besseres Ergebnis als zu Hause.

Die Einführung des Präsidialsystems war Erdogans wichtigstes politisches Projekt. Die Opposition hatte die Rückkehr zum parlamentarischen System versprochen und wollte außerdem den Ausnahmezustand aufheben. Letzteres hatte Erdogan dann im Wahlkampf für den Fall seiner Wiederwahl ebenfalls zugesagt. Nach derzeitigem Stand läuft der Ausnahmezustand noch bis zum 19. Juli.