Snowden darf für ein Jahr in Russland bleiben
Moskau/Washington (dpa) - Zuflucht für Edward Snowden: Auf seiner Flucht vor der US-Justiz gewährt Russland dem Geheimdienstexperten für ein Jahr Asyl.
Nach mehr als fünf Wochen bangen Wartens konnte der 30-Jährige den Moskauer Flughafen Scheremetjewo unbemerkt von der Öffentlichkeit verlassen und ins größte Land der Erde einreisen. Laut seinem Anwalt will er vorerst in Russland bleiben.
Snowden ist die Quelle immer neuer Enthüllungen über den amerikanischen Geheimdienst NSA und dessen weltweite Datenspionage. Die NSA bestreitet auch jüngste Veröffentlichung mit weiteren brisanten Details zur Überwachungspraxis nicht grundsätzlich, sondern betont, alles sei streng reglementiert.
Snowdens russischer Anwalt Anatoli Kutscherena hatte am Nachmittag als Erster bekanntgegeben, dass dessen Antrag auf vorläufiges Asyl genehmigt worden sei. Die russische Einwanderungsbehörde bestätigte dies später. Das Recht habe gewonnen, erklärte Snowden über die Enthüllungsplattform Wikileaks, die ihn auf seiner Flucht unterstützt.
Wikileaks stellte auch ein Foto online, das Snowden beim Verlassen des Flughafens mit der eigenen Mitarbeiterin Sarah Harrison zeigt, und twitterte: „Wir haben die Schlacht gewonnen - jetzt kommt der Krieg.“ Kutscherena sagte, sein Mandant halte sich nun an einem sicheren Ort auf.
Die USA suchen Snowden wegen Geheimnisverrats und fordern seine Auslieferung. Das lehnt Russland strikt ab. Kommentatoren in Moskau betonten, dass der Asylstatus eine Auslieferung Snowdens verbiete.
Der außenpolitische Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Juri Uschakow, nannte den Fall eine „ziemlich unbedeutende Angelegenheit“, die sich nicht negativ auf die Beziehungen mit den USA auswirken werde. Es gebe keine Signale, dass US-Präsident Barack Obama einen für Anfang September geplanten Besuch in Moskau absagen könnte. Das Weiße Haus äußerte sich zunächst nicht.
Auch Venezuela, Ecuador und Bolivien hatten Snowden Zuflucht angeboten. Dieser will aber zunächst in Russland bleiben. „Er hat derzeit nicht die Absicht, nach Lateinamerika zu fliegen“, sagte Kutscherena der russischen Agentur Itar-Tass zufolge. Im Gegenteil: Sein Mandant habe ihm gegenüber angedeutet, dass irgendwann sein nächstes Reiseziel in Europa liegen könnte.
Die britische Tageszeitung „The Guardian“ hatte am Mittwoch mit weiteren Enthüllungen nachgelegt und eine NSA-Präsentation aus Snowdens Beständen ins Internet gestellt. Geheimdienstmitarbeiter können dem Dokument von 2008 zufolge mit Hilfe des Programms „XKeyscore“ in den „enormen Datenbanken“ der NSA nach Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Schlagworten suchen. Für die einzelnen Anfragen bräuchten sie keine gesonderte Zustimmung eines Richters oder eines anderen NSA-Mitarbeiters, hieß es.
Die NSA bestätigte diese Informationen weitgehend, bestritt aber, dass eine große Anzahl Mitarbeiter Zugang zu dem Programm hätten. Der Zugriff auf „XKeyscore“ und andere Werkzeuge sei nur für diejenigen freigegeben, die ihn für ihre Arbeit bräuchten. Jede Suchanfrage eines NSA-Analysten sei nachprüfbar, um Missbrauch zu vermeiden, hieß es. Zum Ausmaß der mit „XKeyscore“ möglichen Überwachung nahm die NSA nicht konkret Stellung.
Snowden, der als Angestellter einer anderen Firma bei der NSA im Einsatz war, hatte dagegen bereits Anfang Juni in seinem ersten Interview behauptet, er habe praktisch jeden Internetnutzer belauschen können. „Ich an meinem Schreibtisch hatte die Berechtigungen, jeden anzuzapfen - Sie, ihren Buchhalter, einen Bundesrichter oder den Präsidenten, wenn ich eine private E-Mail-Adresse hätte“, sagte er damals. Auf seiner Flucht vor den USA war er am 23. Juni aus Hongkong kommend in Moskau gelandet.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, beschwichtigte auf Nachfragen von Journalisten. Auf alle NSA-Analyseprogramme könnten nur Personen mit besonderer Zugangsberechtigung zugreifen. Es gebe strenge Kontrollen. NSA-Chef Keith Alexander ging unterdessen in die Offensive. Auf der Hacker-Konferenz Black Hat in Las Vegas rief er Computerexperten auf, dem Geheimdienst bei seiner Aufgabe zu helfen. „Wir stehen für Freiheit“, behauptete er.