Spionageaffäre weitet sich aus - Spitzel auch bei von der Leyen?

Berlin (dpa) - Die Spionageaffäre um die Aktivitäten der US-Geheimdienste auf deutschem Boden nimmt immer größere Ausmaße an.

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Die Bundesanwaltschaft ermittelt jetzt auch gegen einen mutmaßlichen Spitzel im Verteidigungsministerium. Am Mittwoch wurden im Großraum Berlin seine Wohnräume und sein Büro im Berliner Bendlerblock durchsucht.

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Der Zivilist war nach dpa-Informationen als Referent in der Abteilung Politik tätig und soll dort für internationale Rüstungskooperation zuständig gewesen sein. Er wirkte damit an der Vorbereitung sicherheitspolitischer Richtungsentscheidungen des Ministeriums mit.

Ein Haftbefehl gegen ihn wurde zunächst nicht ausgestellt, weil es bisher nur Indizien für seine Agententätigkeit und keinen dringenden Tatverdacht gibt. Die Bundesanwaltschaft erklärte, bei den Durchsuchungen seien mehrere Computer und zahlreiche Datenträger sichergestellt worden, die nun sorgfältig untersucht würden.

Seit einer Woche sitzt bereits ein Beamter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Untersuchungshaft, weil er die Amerikaner gegen Bezahlung mit geheimen Informationen versorgt haben soll. Die Affäre wird zunehmend auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die der deutsch-amerikanischen Partnerschaft große Bedeutung zumisst, zum schweren Problem.

Regierungssprecher Steffen Seibert sprach erstmals von „tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten“. In Berlin wird nun intensiv über Gegenmaßnahmen nachgedacht - bis hin zur Ausweisung von amerikanischen Botschaftsmitarbeitern. Aus Washington gab es zu den neuen Vorwürfen zunächst keinerlei Kommentar.

Der US-Botschafter in Deutschland, John B. Emerson, musste zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage zum Gespräch ins Auswärtigen Amt. Angeblich bat er selbst um das Treffen. Über den Inhalt schwiegen sich beide Seiten aus. Auf ein neues Telefonat mit US-Präsident Barack Obama hat Merkel bislang verzichtet.

Zwischen Berlin und Washington knirscht es nach den Enthüllungen über den US-Geheimdienst NSA und das abgehörte Kanzlerhandy bereits seit einem Jahr. Die Amerikaner haben immer wieder beteuert, den Beziehungen nicht schaden zu wollen. Allerdings schwindet in Berlin mittlerweile die Bereitschaft, solchen Beteuerungen zu glauben. Die Opposition warf der schwarz-roten Bundesregierung Zaudern vor. Die Linkspartei forderte die Auflösung aller deutschen Geheimdienste.

Zum neuen Fall bestätigte die Bundesanwaltschaft zunächst nur, dass wegen „Anfangsverdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit“ ermittelt werde. Die Behörde ließ offen, für welches Land der Mann gearbeitet haben soll. Nach Informationen von dpa, „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR handelt es sich jedoch erneut um einen amerikanischen Dienst. Einen Zusammenhang zu dem BND-Mann, der für die CIA spioniert haben soll, gibt es offenbar nicht.

Nach Informationen der Zeitung „Die Welt“ wurde der neue Fall vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) entdeckt. Der Soldat sei vor einiger Zeit durch intensive Kontakte mit mutmaßlichen US-Geheimdienstlern ins Visier des deutschen Militär-Geheimdiensts geraten. An diesem Donnerstag will sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags mit beiden Fällen befassen.

Wegen der Spionageaffäre hat sich inzwischen auch CIA-Chef John Brennan persönlich ans Kanzleramt gewandt. Merkel sagte dazu aber nur: „Ich kann bestätigen, dass es dazu Gespräche durchaus gibt, aber über Ergebnisse kann ich nichts sagen.“ „Spiegel Online“ berichtete, der CIA-Chef habe zur Schadensbegrenzung mit Geheimdienstkoordinator Klaus-Peter Fritsche telefoniert. Dem gleichen Zweck diente auch der Besuch von Botschafter Emerson im Auswärtigen Amt.

Zum Inhalt der Gespräche gab es von offizieller Seite keine näheren Angaben. Die Bundesregierung erwägt inzwischen aber, Geheimdienstler aus der US-Botschaft zu unerwünschten Personen zu erklären. Spekuliert wird auch darüber, dass die USA von sich aus Personal abziehen könnten, um einem solchen Schritt zuvorzukommen. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, sagte dazu lediglich: „Mir ist so etwas nicht bekannt.“

Nach einem Bericht der „New York Times“ wusste Obama bei einem Telefonat mit Merkel am vergangenen Donnerstag über den Verdacht gegen den BND-Mann noch nicht Bescheid. Im Weißen Haus sei man „frustriert“, dass die CIA den Präsidenten nicht unterrichtet habe. Zudem wachse die Sorge, dass die Spionagevorwürfe die Beziehungen mit Deutschland belasten könnten.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte dazu der „Saarbrücker Zeitung“: „Der Versuch, mit konspirativen Methoden etwas über die Haltung Deutschlands zu erfahren, gehört sich nicht nur nicht. Es ist auch völlig überflüssig.“ Niemand aus der Bundesregierung verberge in Gesprächen mit US-Vertretern seine Positionen.

Eine Delegation des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags fürchtet ein dauerhaftes Zerwürfnis zwischen Berlin und Washington. Der Ausschussvorsitzende Norbert Röttgen (CDU) sagte am Mittwoch nach Gesprächen in der US-Hauptstadt, der angerichtete Schaden sei erheblich, und es gebe auch keinerlei Anzeichen, dass sich die Haltung der Amerikaner in absehbarer Zeit ändere.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen forderte die US-Regierung auf, Konsequenzen zu ziehen. „Die USA müssen wieder mit uns eine gemeinsame Sicht darauf entwickeln, wie wir in Zukunft unsere Zusammenarbeit gestalten wollen“, sagte die CDU-Politikerin der „Berliner Zeitung“. Zum Verdacht gegen einen Mitarbeiter ihres eigenen Ministeriums sagte sie nur: „Was dahintersteckt, ist noch nicht klar.“