Bluttat in Belgien Staatsanwaltschaft: Lüttich-Attentäter schrie „Allahu Akbar“
Brüssel/Lüttich (dpa) - Nach dem tödlichen Angriff auf zwei Polizistinnen und einen Passanten im belgischen Lüttich sehen die Ermittler Hinweise auf einen Terrorakt und Verbindungen zum Islamismus.
Der Täter habe mehrfach „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) geschrien und wohl auch Kontakt zu radikalisierten Personen gehabt, erklärte die zuständige Staatsanwaltschaft in Brüssel. Der Verdächtige sei ein 31-jähriger Belgier, der als Krimineller verurteilt war und als Freigänger die Haftanstalt verlassen hatte.
Belgien war in der Vergangenheit mehrfach Ziel von Terroranschlägen. Bei der schwersten davon töteten islamistische Extremisten in Brüssel am 22. März 2016 in der Metro sowie am Flughafen 32 Menschen.
Nach der neuen Bluttat in Lüttich (Liège) vom Dienstag verwiesen die Ermittler auf das Vorgehen des Täters, das Propagandavideos der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) entspreche. Zudem habe die Polizei Hinweise auf Kontakte des Verdächtigen zu Radikalen 2016 und 2017. „Für den Moment hatten wir genügend Gründe, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts terroristischer Taten zu eröffnen“, sagte Staatsanwalt Eric van der Sypt. Er fügte aber hinzu: „Wir ziehen noch keine Schlüsse.“
Geprüft werde vor allem, ob der Täter allein handelte. Die auf Auswertung dschihadistischer Propaganda spezialisierte Site Intelligence Group meldete, das IS-Sprachrohr Amak habe den Angreifer als „Soldaten des Islamischen Staates“ bezeichnet. Für diese Verbindung gab es zunächst keine Bestätigung.
Der mutmaßliche Täter Benjamin H. hatte am Dienstagvormittag in Lüttich zwei Polizistinnen und einen Zivilisten getötet und eine Frau als Geisel genommen, bevor er von Sicherheitskräften erschossen wurde. Laut Staatsanwaltschaft steht der Mann auch im Verdacht, in der Nacht zuvor einen Mord in der südbelgischen Provinz Luxemburg begangen zu haben. Dort laufen eigene Ermittlungen.
Der Mann war den Angaben zufolge immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten, unter anderem wegen Diebstahls, Drogen und Widerstands gegen die Staatsgewalt. Er verbüßte eine Gefängnisstrafe im südbelgischen Marche-en-Famenne und hatte die Haftanstalt am Montagmorgen mit Genehmigung verlassen. Er hätte am Dienstagabend wieder im Gefängnis sein sollen.
Das dramatische Geschehen in der Innenstadt von Lüttich schilderte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch so - in einigen Details etwas anders als zuvor: Gegen 10.30 Uhr griff der Täter auf dem Boulevard d'Avroy zwei Polizistinnen von hinten mit einem Messer an und stach auf sie ein. Schließlich entwand er den 44 und 54 Jahre alten Frauen den Angaben zufolge ihre Dienstwaffen und erschoss sie.
Anschließend ging der Mann laut Staatsanwaltschaft mehrmals in ein nahes Café, fand dort aber „wegen der Wachsamkeit des Barkeepers“ niemanden vor. An einem Zebrastreifen feuerte er den Angaben zufolge auf ein stehendes Auto und erschoss gezielt den Beifahrer, einen 22 Jahre alten Mann. Auch auf ein weiteres Fahrzeug habe er gefeuert, bevor er weiter zu einem nahen Gymnasium gegangen sei und dort eine Putzfrau als Geisel genommen habe. Zu dem Zeitpunkt sei er bereits von Polizisten verfolgt worden. Gleichzeitig sei eine Spezialeinheit ausgerückt.
Schließlich sei der Mann aus dem Gebäude gekommen und habe sich einen Schusswechsel mit den Polizisten geliefert. Mehrfach habe er „Allahu Akbar“ gerufen. Vier Beamte seien verletzt worden. Der Täter wurde den Angaben zufolge tödlich getroffen. Die Leichen aller Opfer sollen obduziert werden, die des Täters soll darüber hinaus toxikologisch untersucht werden, wie van der Sypt sagte.
Die zeitweise als Geisel genommene Frau habe glücklicherweise alles unverletzt überstanden, fügte er hinzu. Die Schüler des Gymnasiums Léonie de Waha wurden ebenfalls unbeschadet in Sicherheit gebracht.
Die belgische Fußball-Nationalmannschaft gedachte der Opfer des Attentats mit einer Schweigeminute. Das Team stellte sich beim Training in Tubize im Kreis auf und trauerte um die Toten. Der Verband postete ein Video der Schweigeminute bei Twitter.