Stich ins Herz des syrischen Regimes
Ein Anschlag zeigt, wie weit Assads Truppen die Kontrolle in Damaskus schon entglitten ist.
Damaskus. Wer heute eine Umfrage unter Syrern macht, tut sich schwer, jemanden zu finden, der noch an das politische Überleben von Präsident Baschar al-Assad glaubt.
Obwohl die Spezialeinheiten des Regimes den Rebellen militärisch immer noch weit überlegen sind, erwecken die ersten Gefechte in Damaskus bei vielen Syrern den Eindruck, die Entscheidungsschlacht habe begonnen.
Am Mittwoch traf ein Anschlag das Regime mitten ins Herz, als eine Bombe vor dem Gebäude explodierte, in dem sich gerade der Krisenstab traf. Verteidigungsminister Daud Radschha, sein Stellvertreter und Assad-Schwager Assef Schaukat sowie nach Angaben von Aktivisten auch General Hassan Turkmani wurden getötet. Die Freie Syrische Armee bekannte sich zu dem Anschlag.
Kontrovers diskutiert wird die Frage, wie lange dieser letzte Akt der blutigen Tragödie dauern wird. Dem diplomatischen Tauziehen zwischen dem Westen und Assads Unterstützern in Moskau und Peking schenken die Menschen in Damaskus dagegen kaum noch Beachtung. Sie stehen am Fenster und beobachten, wie Militärhubschrauber die in Wohnvierteln versteckten Deserteure unter Beschuss nehmen.
„Die Kämpfe in Damaskus sind der Anfang vom Ende dieses Regimes. Es verliert allmählich die Kontrolle“, sagt Omar al-Muschawa mit Genugtuung. Er gehört zu den Führungskadern der oppositionellen Muslimbruderschaft, die in Istanbul diese Woche darüber diskutiert, wie man die Revolution am besten unterstützen kann.
Ein militärisches Eingreifen westlicher Staaten, die verhindern könnten, dass Assad die Luftwaffe gegen die Rebellen einsetzt, wäre den Muslimbrüdern zwar immer noch willkommen. Doch sie sind fest davon überzeugt, dass es die Regimegegner auch alleine schaffen werden, Assad zu stürzen.
Al-Muschawa sagt: „Die Menschen in Syrien setzen inzwischen ohnehin keine Hoffnung mehr in die internationale Gemeinschaft, sie haben die Sache jetzt selbst in die Hand genommen.“
In einem der Online-Diskussionsforen der Opposition fragt sich ein Mitglied derweil, was der UN-Sondergesandte Kofi Annan angesichts der Eskalation in Syrien überhaupt noch erreichen kann: „Annan sucht noch nach einer Lösung, die alle Seiten zufriedenstellt, auch Russland. Das wäre vor einer Weile noch in Ordnung gewesen, aber jetzt kann man dazu nur noch sagen: ,Kofi, wach auf, dieser Zug ist schon lange abgefahren’.“