Syrischer Aufstand rückt auf Damaskus vor
Kairo/Beirut (dpa) - Kurz vor der Sondersitzung des UN- Sicherheitsrats zu Syrien ist der Aufstand gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad immer näher an die Hauptstadt Damaskus herangerückt.
Nur noch wenige Kilometer von dem Stadtzentrum entfernt gab es nach Angaben von Augenzeugen in der Nacht zum Montag heftige Gefechte zwischen Regierungstruppen und Deserteuren. Unbestätigten Gerüchten zufolge versuchten Assads Frau und ihre Söhne das Land zu verlassen - und wurden daran gehindert. Beobachter befürchten einen Bürgerkrieg.
In New York bereitete sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf eine Sondersitzung zur Lage in Syrien am Dienstag vor. US-Außenministerin Hillary Clinton rief das höchste UN-Gremium zum handeln auf. Der Sicherheitsrat müsse „eine klare Botschaft der Unterstützung an das syrische Volk senden: Wir sind mit Euch“, sagte Clinton. Moskau hatte zuvor ein klares „Njet“ zu einem europäisch- arabischen Resolutionsentwurf angekündigt, da dieser aus russischer Sicht unausgewogen sei. Russland lehnt jede Kritik an seinem Waffenkunden Syrien ab und kann jede noch so starke Mehrheit im Sicherheitsrat mit seinem Veto blockieren.
Clinton wollte selbst zu der Sitzung des Sicherheitsrats nach New York kommen. „Der Sicherheitsrat muss handeln und dem syrischen Regime klarmachen, dass die Weltgemeinschaft ihr Handeln als ein Bedrohung für Frieden und Sicherheit betrachtet.“ Clinton fügte hinzu: „Die Gewalt muss enden, so dass eine neue Phase des Übergangs beginnen kann.“ Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, wird in New York berichten. Wegen der eskalierenden Gewalt hatte die Liga ihre Beobachtermission in Syrien unterbrochen.
Die Moskauer Regierung hat Vertreter von Regierung und Opposition zu gemeinsamen Gesprächen eingeladen. Die Machthaber in Damaskus hätten einem solchen Treffen bereits zugestimmt, teilte das russische Außenministerium am Montag mit. Die Opposition lehnte die Einladung zu den Gesprächen ab, wie arabische Medien berichteten, forderten zunächst den Rücktritt von Assad.
Die von Deserteuren gegründete „Freie Syrische Armee“ hatte nach eigenen Angaben am Sonntag einzelne Bezirke am Stadtrand von Damaskus unter ihre Kontrolle gebracht. Sie musste sich aber später nach Angriffen von Regimesoldaten wieder zurückziehen. In der Nacht wurden Kämpfe aus Gebieten nur acht Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt entfernt gemeldet. Am Morgen hatte die Regierung schließlich loyale Einheiten in den Vororten stationiert. Mindestens 27 Menschen kamen laut Aktivisten bei den Kämpfen im Vorort al-Gottah ums Leben, auch in den Protesthochburgen Homs, Hama und Idlib gab es wieder Tote. Landesweit zählten Oppositionskräfte 42 Todesopfer.
Die Straße zum internationalen Flughafen von Damaskus sei ebenfalls vorübergehend blockiert gewesen, als Mitglieder des syrischen Geheimdienstes zur Opposition überliefen. Nach unbestätigten Gerüchten sollen einige Familienmitglieder Assads an einem Versuch gehindert worden sein, das Land zu verlassen. Die ägyptische Tageszeitung „Al-Masry Al-Youm“ (Montag) berichtete unter Berufung auf syrische Quellen, dass es sich dabei um die Frau, die Mutter, die Söhne und einen Cousin des Präsidenten gehandelt habe. Regimesoldaten hätten anschließend zur Vergeltung 17 Verwandte eines führenden Deserteurs aus dem syrischen Geheimdienst getötet, hieß es.
Syrische Menschenrechtler berichteten zudem, dass ein prominenter Mitbegründer der immer größer werdenden „Freien Syrischen Armee“ hingerichtet worden sei. Hussein Harmusch, der sich nach seiner Fahnenflucht öffentlich erklärt hatte, war Anfang September aus einem türkischen Flüchtlingslager verschwunden und zwei Wochen später im syrischen Staatsfernsehen vorgeführt worden.
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete eine Explosion an einer Gaspipeline nahe der Grenze zum Libanon. Eine Gruppe „Terroristen“ habe die Pipeline angegriffen.
Ein Militärexperte, der anonym bleiben wollte, sagte der Nachrichtenagentur dpa in Beirut, dass die aktuellen Kämpfe in und rund um Damaskus zwar noch nicht zum Sturz des syrischen Regimes führen, aber die Regierung durchaus aufschrecken dürften. Die Deserteure seien schlecht ausgerüstet, betonte er.