Syrisches Regime verliert Kontrolle - Mission verlängert

Damaskus/New York (dpa) - Die syrische Staatsmacht verliert im eskalierenden Bürgerkrieg offensichtlich immer mehr die Kontrolle. Selbst im Zentrum der Hauptstadt Damaskus lieferten sich bewaffnete Oppositionsanhänger am Freitag Gefechte mit Einheiten des Regimes.

Rebellen überrannten nach eigenen Angaben drei Grenzposten zur Türkei. Angeblich laufen immer mehr Soldaten zur Opposition über. Die unbewaffnete UN-Beobachtertruppe Unsmis bleibt trotz der eskalierenden Gewalt auf dem syrischen Kriegsschauplatz: Der Weltsicherheitsrat beschloss, dass die Mission ein letztes Mal für 30 Tage verlängert wird.

Einstimmig akzeptierte das Gremium einen Resolutionsentwurf Großbritanniens, an dessen Vorbereitung auch Deutschland beteiligt war. Die Entscheidung erfolgte einen Tag nach dem russisch-chinesischen Doppel-Veto gegen eine westliche Resolution, die erstmals auch Wirtschaftssanktionen gebracht hätte.

In Syrien löst sich die reguläre Armee nach dem blutigen Schlag gegen den innersten Machtzirkel vom Mittwoch laut Opposition immer weiter auf. Schätzungen von Regimegegnern, wonach inzwischen ein Drittel der Soldaten desertiert sein soll, ließen sich von unabhängiger Seite nicht bestätigen. Dem Attentat in der Machtzentrale von Damaskus soll inzwischen auch der regimetreue Chef der Nationalen Sicherheitsbehörde, Hischam Bachtiar, erlegen sein. Er wäre der vierte hochrangige Tote.

Ein syrischer General und 20 weitere Offiziere flüchteten am Freitag in die Türkei. Damit seien nun 22 Generäle desertiert und aus dem Nachbarland über die Grenze gekommen, berichteten türkische Medien. Nach Angaben der Behörden sind derzeit mehr als 43 000 Syrer in der Türkei als Flüchtlinge registriert. Sie sind in Zeltstädten und Containerlagern untergebracht.

Spekulationen, wonach Präsident Baschar al-Assad zum Rückzug bereit sei, wies das syrische Informationsministerium zurück. Zuvor hatte der russische Botschafter in Paris, Alexander Orlow, gesagt, Assad sei sich der Ausweglosigkeit seiner Lage bewusst. „Er hat akzeptiert, sich zurückzuziehen“, sagte Orlow dem Radiosender RFI. Voraussetzung sei ein geordneter Übergang.

In Damaskus versuchten Regierungstruppen am Freitag, bewaffnete Aufständische aus einigen Vierteln zu vertreiben, die diese am Vortag unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Aktivisten berichteten von mehreren Explosionen in der Stadt. Zahlreiche Familien verbrachten die Nacht in Moscheen und Kirchen. Sie hatten dort am Vortag Zuflucht gesucht, weil es nahe ihrer Wohnungen Kämpfe gegeben hatte.

Nach dem Freitagsgebet sollen Demonstranten mit der Losung auf die Straße gegangen sein, der Sieg über Assad werde während des Ramadans errungen werden. An diesem Freitag hat für die Muslime weltweit der Fastenmonat Ramadan begonnen.

Landesweit starben am Freitag bis zum Nachmittag nach Angaben von Aktivisten knapp 100 Menschen. Mit 310 Toten war der Donnerstag der bislang blutigste Tag seit Beginn der Proteste gegen Präsident Assad im März 2011, wie die Aufständischen sagten. Eine unabhängige Berichterstattung aus Syrien ist nur sehr schwer möglich.

Im UN-Sicherheitsrat stimmten alle 15 Mitglieder für den von Großbritannien eingereichten Resolutionsentwurf. Der Kompromiss sieht eine einmalige und nur 30-tägige Verlängerung vor: Das Mandat der Truppe darf danach nur noch verlängert werden, wenn UN-Generalsekretär und Sicherheitsrat ausdrücklich feststellen, dass keine schweren Waffen mehr zum Einsatz kommen. Nach Angaben der UN setzt das Regime derzeit Kampfpanzer, Artillerie und Kampfhubschrauber in Wohngebieten ein.

Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin lobte die neue Resolution als „ausbalanciert“. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte er nach der Abstimmung vor Journalisten. Russland und China hatten sich am Vortag gegen eine Resolution gewehrt, die einen Umbau der militärischen Beobachtertruppe zu einer zivileren Mission vorsah, die direkt Verhandlungen ankurbeln sollte. Zum ersten Mal enthielt die gescheiterte Resolution auch die Drohung, mit Wirtschaftssanktionen gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad vorzugehen.

Ein Militäreinsatz der Nato unter UN-Mandat in Syrien kommt aus Sicht von Verteidigungsminister Thomas de Maizière weiterhin nicht infrage. Derzeit sei man weit weg von einer Resolution der Vereinten Nationen, sagte der CDU-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“. Außerdem wäre ein solcher Einsatz aus militärischer Sicht schwierig.

Die EU-Außenminister wollen am Montag weitere Sanktionen gegen Syrien beschließen. Zwischen zwanzig und dreißig Personen und zwei bis drei Firmen oder Organisationen sollten neu auf die Sanktionsliste gesetzt werden, kündigten EU-Diplomaten am Freitag in Brüssel. Die EU versucht mit ihren Strafmaßnahmen, den Handlungsspielraum der Führung von Präsident Assad einzuschränken. Dazu friert die EU Gelder auf ausländischen Konten ein oder verhängt Reisesperren.