Vorwürfe gegen Moskau Trump belastet G20-Gipfel mit Drohungen
Hamburg (dpa) - Vor dem G20-Gipfel hat US-Präsident Donald Trump mit Drohungen gegen Russland und Nordkorea für neue Spannungen gesorgt. Bei einem Besuch in Polen kündigte er Schritte gegen das „destabilisierende Verhalten“ Moskaus an.
Dem Nato-Partner Polen will er „Patriot“-Raketen zum Schutz vor möglichen Aggressionen des mächtigen Nachbarn im Osten liefern. Dem kommunistischen Nordkorea drohte Trump eine harte Reaktion auf jüngste Raketentests an, beantwortete Fragen nach einem möglichen Militärschlag aber nicht.
Am Abend kam es bei der „Welcome to Hell“-Demonstration in Hamburg gegen den Gipfel zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Etwa 1000 Vermummte hatten sich nach Angaben der Polizei unter die 12.000, überwiegend friedlichen Demonstranten gemischt. Es flogen Flaschen, Feuerwerk wurde gezündet. Die Beamten stoppten den Zug und setzten Pfefferspray sowie mehrere Wasserwerfer ein. Die Polizei berichtete von 76 verletzten Beamten, die Veranstalter von zahlreichen Verletzten auch auf Demonstrantenseite.
Heute trifft der US-Präsident beim Gipfel der großen Wirtschaftsmächte erstmals den russischen Staatschef Wladimir Putin. Trump hatte seinen Vorwurf der Destabilisierung an Russland bei seinem Besuch in Warschau mit der Politik Moskaus in der Ukraine, aber auch in Syrien und gegenüber dem Iran. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies den Vorwurf zurück.
Nach Trumps Ankunft in Hamburg berieten der US-Präsident und Kanzlerin Angela Merkel in einem gut einstündigen Treffen zentrale Streitthemen. Ein deutscher Regierungssprecher teilte mit: „Darüber hinaus kamen außenpolitische Brennpunkte zur Sprache wie Nordkorea, die Lage im Mittleren Osten und der Konflikt in der Ostukraine.“
Inwieweit Merkel und Trump auch über den Konflikt beim Klimaschutz sprachen, blieb offen. Die Unterredung zwischen Trump und Putin an diesem Freitag soll ausgerechnet dann stattfinden, wenn in großer G20-Runde über den Klimaschutz beraten werden soll. Trump will aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen. Damit ist eine - wie sonst üblich - einmütig verabschiedete Gipfelerklärung fraglich.
Merkel sagte nach ihrer Ankunft in Hamburg vor Journalisten, die Verhandlungen zum Klimaschutz seien noch nicht abgeschlossen. „Es gibt verschiedene Optionen, die besprochen werden können.“ Klar sei nur: die USA seien aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen, viele andere Gipfelteilnehmer stünden weiter zu dieser Vereinbarung. In dem UN-Abkommen verpflichten sich die Unterzeichner zur Eindämmung des Treibhausgas-Ausstoßes, um die Erderwärmung zu bremsen.
Ob Trump beim Klima-Thema in der G20-Runde isoliert wird, war zunächst noch unklar. In einem Entwurf für die Abschlusserklärung, der der dpa vorliegt, ist der Dissens der anderen 19 zu Trump festgeschrieben. Bleibt es dabei, wäre das für die sonst um Einheit bemühte Staatengruppe ungewöhnlich.
Am Gespräch der Kanzlerin mit Trump nahmen den Angaben zufolge Außenminister Sigmar Gabriel und sein US-Kollege Rex Tillerson sowie Trumps Tochter Ivanka und deren Ehemann Jared Kushner teil. Mit dabei waren außerdem der Wirtschaftsexperte im Weißen Haus, Gary Cohn, und US-Finanzminister Steve Mnuchin. Ivanka Trump unterstützt die Initiative für die Förderung von Frauen in Entwicklungsländern durch Kleinkredite. Der von Merkel beförderte geplante internationale Fonds könnte eines der wenigen konkreten Ergebnisse des Gipfels sein.
Kurz vor der Ankunft Trumps in Hamburg startete ein Protestmarsch von tausenden Linksautonnomen unter dem „Motto „Willkommen in der Hölle“, der als die Demonstration mit dem größten Gewaltpotenzial gilt. Insgesamt werden über 100.000 Gegendemonstranten in Hamburg erwartet. Die Polizei bietet mehr als 19.000 Beamte auf.
Die G20 repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung und 80 Prozent der globalen Wirtschaftskraft. Noch nie fand ein Gipfeltreffen in Deutschland statt, an dem mit China, Russland und den USA alle der mächtigsten Länder der Welt teilnehmen.
Zweites Haupttthema dürfte der Freihandel sein. Kurz vor dem Gipfel setzten Europa und Japan ein Zeichen und vereinbarten, sich von 2019 an zur größten Freihandelszone der Welt zusammenzuschließen. Die Grundsatzeinigung wurde mit der klaren Absage an die Abschottungspolitik Trumps verbunden.
Vor dem Hintergrund der deutsch-türkischen Spannungen traf der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit Angela Merkel zusammen. Dabei sei es um den bevorstehenden G20-Gipfel, das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei und die bilateralen Beziehungen gegangen, sagte ein deutscher Regierungssprecher nach dem rund einstündigen Gespräch. Es ist der erste Besuch des türkischen Staatschefs seit seinen Nazi-Beschimpfungen an die Adresse Merkels.
Vor dem Besuch hatte die Bundesregierung Erdogan einen Auftritt vor Anhängern am Rande des G20-Gipfels untersagt. Erdogan hatte das in einem Interview der Wochenzeitung „Die Zeit“ als „sehr hässlich“ bezeichnet und gesagt: „Deutschland begeht Selbstmord.“ Vor seiner Reise nach Hamburg hatte Erdogan deutlich gemacht, dass er die Nazi-Beschimpfungen aus dem Frühjahr nicht bedauert. Auslöser damals waren Verbote von Wahlkampfauftritten von Regierungsvertretern in Deutschland vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei gewesen. Erdogan hatte Merkel in dem Zusammenhang „Nazi-Methoden“ vorgeworfen.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz forderte zusammen mit Außenminister Sigmar Gabriel, G20-Gipfel künftig nur noch bei den Vereinten Nationen in New York stattfinden zu lassen. Die G20 gilt Kritikern als elitärer Club der Reichen. Nach Auffassung der SPD-Spitzenleute könnte New York als ständiger Gipfelort diesem Image entgegenwirken.