Wahlkampf Trump greift Deutschland bei erster Kundgebung seit Corona an
Washington · Das ist ungewohnt für Donald Trump: Bei seiner ersten Wahlkampfveranstaltung seit Monaten bleiben zahlreiche Plätze leer. Gut 100 Minuten lang mäandert Trump zwischen „Kung Flu“ und anderen Themen. Bemerkenswert ist, dass ein Name in der Rede gar nicht fällt.
Der Neustart seines Wahlkampfs ist für US-Präsident Donald Trump bei der ersten Massenkundgebung seit Beginn der Corona-Krise enttäuschend verlaufen. Bei der Veranstaltung in einer Arena in Tulsa (Oklahoma) blieben am Samstagabend zahlreiche der gut 19 000 Plätze leer. Vor Tausenden jubelnden Unterstützern griff der Republikaner Deutschland, die US-Demokraten und die Medien an. Ein Thema, dass die Amerikaner jüngst aufwühlte wie kaum ein anderes, ließ Trump in seiner mehr als eineinhalbstündigen Rede unerwähnt: den Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz.
Trump hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass sich fast eine Million Menschen um Tickets für die Veranstaltung in Tulsa beworben hätten. Noch kurz vor seinem Abflug nach Tulsa sagte Trump: „Der Andrang ist unglaublich.“ Die „New York Times“ berichtete, die Arena sei nur zu zwei Dritteln gefüllt gewesen. Selbst Trumps Haussender Fox News berichtete, „eine Anzahl Sitze“ sei leer geblieben.
Ursprünglich sollte Trump sich auch an eine Menschenmenge vor der Arena wenden. Dort waren eine Bühne und eine Videoleinwand aufgebaut worden - in der Erwartung, dass die Arena überfüllt werden würde. Der Platz vor der Halle blieb aber weitgehend leer, der Auftritt wurde abgesagt.
Der Kommunikationsdirektor von Trumps Wahlkampfteam, Tim Murtaugh, warf „radikalen Demonstranten“ und Medien vor, Sympathisanten vom Besuch der Kundgebung abgehalten zu haben. Immer noch seien die Tausenden Unterstützer aber ein Kontrast zum „schläfrigen Wahlkampf“ von Trumps designiertem Herausforderer bei der Wahl im November, Joe Biden. Am Rande von Trumps Auftritt kam es zwar zu Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Proteste blieben aber weitgehend friedlich, wie die Polizei in Tulsa berichtete.
In seiner Ansprache ging Trump nicht auf Floyd ein, der Ende Mai von einem Polizisten in Minneapolis brutal getötet worden war. Auch Rassismus oder Polizeigewalt thematisierte Trump nicht. Stattdessen sagte der Republikaner mit Blick auf die Wahl im November unter Applaus: „Wenn die Demokraten an die Macht kommen, dann werden die Randalierer das Sagen haben und niemand wird mehr sicher sein.“
Trump sagte weiter: „Sie wollen unser Erbe zerstören, damit sie ihr neues Unterdrückungsregime an seiner Stelle durchsetzen können.“ Der Präsident behauptete fälschlicherweise, die Demokraten wollten Polizeibehörden die Finanzierung entziehen und diese auflösen. Biden habe sich in seiner Partei „der radikalen Linken ergeben“. Floyds Tod hat zu landesweiten Protesten geführt, die anfangs teilweise in Ausschreitungen und Plünderungen ausgeartet waren.
Trump erneuerte seine Kritik an Deutschland und bekräftigte seine Pläne, fast 10 000 Soldaten aus Deutschland abzuziehen. Deutschland schulde der Nato wegen unzureichender Verteidigungsausgaben in den vergangenen 25 Jahren „eine Billion Dollar“. Trump kritisierte zudem erneut die im Bau befindliche Ostsee-Pipeline Nord-Stream 2, die Gas von Russland nach Deutschland bringen soll.
„Wir sollen Deutschland vor Russland beschützen“, sagte Trump unter Applaus. „Aber Deutschland zahlt Russland Milliarden Dollar für Energie, die aus einer Pipeline kommt, einer brandneuen Pipeline.“ Trump kritisiert seit langem, dass Deutschland das selbstgesteckte Ziel der Nato für Verteidigungsausgaben nicht erfülle.
Es war Trumps erste Kundgebung seit Beginn der Corona-Krise in den USA Anfang März. Teilnehmer mussten sich bei der Registrierung damit einverstanden erklären, dass die Organisatoren nicht für eine Covid-19-Erkrankung und mögliche Folgen haftbar gemacht werden. Vor der Kundgebung wurden sechs Mitarbeiter des Wahlkampfteams positiv auf das Coronavirus getestet, wie Kommunikationsdirektor Murtaugh mitteilte. Trump selber trug wie üblich keine Maske bei seinem Auftritt. Biden warf Trump vor, Menschen zu gefährden, um seinen Wahlkampf wieder aufzunehmen.
Tulsa verzeichnete am Tag vor der Kundgebung die meisten Infektionen seit Beginn der Corona-Pandemie: 136 neue Fälle wurden registriert, wie die örtliche Gesundheitsbehörde mitteilte. Im Bundesstaat Oklahoma insgesamt sieht es ähnlich aus: Nach der Statistik der Johns-Hopkins-Universität sind auch dort die Neuinfektionen in den vergangenen Tagen deutlich gestiegen. Mehr als 20 weitere US-Bundesstaaten verzeichnen eine Zunahme.
Unter dem Applaus seiner Anhänger sagte Trump, er habe seine Mitarbeiter dazu aufgerufen, Coronavirus-Tests einzuschränken, damit die Infektionszahlen in den USA nicht steigen. Die inzwischen ausgeweiteten Tests seien „ein zweischneidiges Schwert“. Er fügte hinzu: „Wenn man in diesem Ausmaß testet, wird man mehr Menschen finden, man wird mehr Fälle finden, also habe ich meinen Leuten gesagt: "Verlangsamt bitte die Tests".“ Aus dem Weißen Haus hieß es auf dpa-Anfrage, Trump habe „offensichtlich gescherzt“.
Trump verglich das Coronavirus erneut mit einer Grippe - auf englisch „Flu“. Der Präsident sagte, er kenne für das „chinesische Virus“ verschiedene Namen, darunter „Kung Flu“. In den USA wurden seit Beginn der Pandemie nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität mehr als 2,25 Millionen Coronavirus-Infektionen registriert. Rund 120 000 Menschen kamen demnach ums Leben.
Trump rechtfertigte sich über Minuten hinweg dafür, dass er bei einem Auftritt in der Militärakademie West Point am vorvergangenen Samstag unsicher wirkte, als er eine Rampe herunterging. Die Rampe sei aus Stahl und ohne Geländer gewesen, er habe rutschige Schuhe mit Ledersohlen angehabt, sagte der 74-Jährige. Dass er in Westpoint sein Wasserglas mit beiden Händen zum Mund führte, habe daran gelegen, dass er seine Seidenkrawatte nicht bekleckern habe wollen. In Tulsa trank er demonstrativ mit einer Hand.
Umfragen sehen Trump deutlich hinter Biden. Am Samstag musste Trump dann noch eine juristische Niederlage einstecken: Nach der Entscheidung eines Bundesgerichts kann sein früherer Sicherheitsberater John Bolton dessen Buch mit explosiven Vorwürfen gegen Trump wie geplant veröffentlichen. Das Buch „The Room Where It Happened“ (etwa: Der Raum, in dem es geschah) soll an diesem Dienstag erscheinen. In vorab bekannt gewordenen Passagen beschreibt Bolton Trump als einen Politiker, der seine eigenen Interessen über die des Landes stellt. Trump drohte Bolton: „Dafür muss er einen sehr hohen Preis bezahlen.“
Trump sieht sich zudem Vorwürfen der Demokraten ausgesetzt, Ermittlungen gegen sein Umfeld verhindern zu wollen. Nach einem Machtkampf mit der Regierung legte am Samstagabend der prominente New Yorker Staatsanwalt Geoffrey Berman sein Amt nieder. Berman hatte auch gegen Mitarbeiter Trumps ermittelt. Justizminister William Barr hatte am Freitag ohne Angabe von Gründen mitgeteilt, Berman trete zurück. Der Staatsanwalt hatte das aber verweigert. Daraufhin entließ Trump Berman nach Barrs Angaben.