Eskalation im Kurdengebiet Türkei beschießt syrische Truppen in der Region Afrin
Istanbul/Damaskus (dpa) - Nach der Entsendung syrischer Regierungskräfte in die von Kurden kontrollierte Region Afrin im Norden des Landes hat die Türkei das Gebiet nach syrischen Regierungsangaben bombardiert.
Das meldete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana am Dienstag.
Im regierungsnahen TV-Sender Al-Mayadeen war eine Explosion zu sehen. Es habe sich um einen türkischen Angriff gehandelt, meldete der Sender.
Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu der Türkei meldete am Dienstag Artilleriebeschuss in der Region. Warnschüsse seien auf mit dem syrischen Regime verbundene „terroristische Gruppen“ abgefeuert worden, hieß es. Diese hätten versucht, in die Stadt Afrin zu gelangen, hätten sich aber aufgrund des Beschusses zurückgezogen.
Kurz zuvor waren erste syrische Regierungskräfte in Afrin eingerückt, wie die Kurdenmiliz YPG bestätigte. Die Einheiten sollten sich an der Verteidigung der Einheit Syriens und der Grenzen des Landes beteiligen. Die Kurden wollen so einen Angriff der Türkei stoppen.
Türkische Truppen und syrische Verbündete hatten vor einem Monat eine Offensive auf Afrin begonnen. Das Gebiet wird von der YPG kontrolliert. Die Türkei sieht in der Miliz den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und bekämpft sie.
Am Montag hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu Syrien gewarnt: „Wenn das Regime eindringt, um die YPG zu schützen oder ihren Schutz zu gewährleisten, dann kann niemand uns, die Türkei und die türkischen Soldaten stoppen“, sagte er in Jordanien.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, bei den einrückenden Regierungskräften handele es um eine Vorhut. Schwere Waffen waren demnach zunächst nicht dabei. Bei den Regierungstruppen handelt es sich nach syrischen Angaben um „Volkskräfte“.
Die Kurden hatten seit einer Woche mit der syrischen Regierung über eine Entsendung der Truppen verhandelt. Am Dienstagmorgen hatten sie noch Russland vorgeworfen, einem Abkommen Steine in den Weg zu legen und der Türkei grünes Licht für den Angriff auf Afrin gegeben zu haben.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Dienstag eine Belagerung der Stadt Afrin angekündigt. Man werde das Stadtzentrum „in den nächsten Tagen“ einschließen, sagte Erdogan vor seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara. „Auf diese Weise wird die Hilfe von außen blockiert.“
Damit werde die „Terrororganisation“ YPG nicht mehr die Möglichkeit haben, mit jemandem zu verhandeln, sagte Erdogan weiter. Grünen-Politikerin Claudia Roth kritisierte die Ankündigung Erdogans scharf und forderte die Nato und Deutschland auf, „mit allen diplomatischen Mitteln“ zu verhindern, dass es zu „Kriegsverbrechen wie dem Aushungern durch ein Nato-Mitglied“ komme.
Die Kurdenmiliz YPG ist mit der US-geführten Koalition im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Nordsyrien verbündet. Die Türkei dagegen stuft die YPG wegen enger Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als terroristisch ein. Die PKK steht auch in der EU und den USA auf der Liste der Terrororganisationen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte am Dienstag vor einer Spaltung des Bürgerkriegslandes und forderte die Türkei dazu auf, mit der syrischen Regierung in Dialog zu treten. Es sei nicht hinnehmbar, wenn „das Kurden-Problem“ dazu genutzt werde, Chaos in der Region zu säen und Staaten zu spalten, sagte er in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Lawrow betonte, Moskau habe Verständnis sowohl für den Standpunkt der Türkei als auch für den der Kurden.
Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke forderte indes eine unabhängige Untersuchungskommission, die klärt, ob die Türkei in der Region Giftgas eingesetzt hat. Der mutmaßliche Angriff soll sich am Freitag in dem Ort Scheich Hadid westlich der Stadt Afrin ereignet haben, wie Beobachter und ärztliches Personal berichteten. „Ich erwarte von der Bundesregierung entsprechende Schritte im Rahmen der Vereinten Nationen. Die Türkei ist Nato-Partnerin, ihre Armee kämpft auch mit Waffen aus Deutschland“, erklärte Jelpke in einer Mitteilung. Die Bundesregierung stehe daher in der Verantwortung.