Anklage erhoben Türkei fordert 15 Jahre Haft für Menschenrechtler Steudtner
Istanbul (dpa) - Rund drei Monate nach seiner Festnahme fordert die türkische Staatsanwaltschaft nach einem Medienbericht 15 Jahre Haft für den inhaftierten deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner.
Ihm, seinem schwedischen Kollegen Ali Gharavi und acht weiteren würden Unterstützung und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen, meldete der Sender CNN Türk am Sonntag. Die Anwälte betätigten der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, dass die Anklageschrift zugestellt wurde, konnten jedoch zunächst keine Angaben zum Strafmaß machen.
Steudtner, Gharavi und acht türkische Menschenrechtler waren am 5. Juli bei einem Seminar auf der Istanbul vorgelagerten Insel Büyükada festgenommen worden. Gegen acht der insgesamt zehn Beschuldigten wurde danach Untersuchungshaft verhängt. Darunter ist neben den beiden Ausländern auch die Landesdirektorin von Amnesty International, Idil Eser.
Außenminister Sigmar Gabriel sprach von „absolut nicht nachvollziehbaren Vorwürfen“ gegen Steudtner. „Die Forderung nach bis zu 15 Jahren Haft sind für uns vollkommen unverständlich und nicht akzeptabel“, sagte er. Wegen des Falls Steudtner hatte die Bundesregierung im Juli ihre Türkei-Politik neu ausgerichtet und den Kurs gegenüber Ankara deutlich verschärft.
Begleitet wurde die Anklage von neuen Verbalattacken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen die Europäer. Er warf ihnen erneut vor, Anhänger der Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen aufzunehmen, den Erdogan für den gescheiterten Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich macht.
„Das sind Verräter, das sind Mörder, das sind jetzt definitiv Terroristen“, sagte der Präsident laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu. Die Türkei fordert die Auslieferung der Gülen-Anhänger. Mit Blick auf in der Türkei inhaftierte Europäer sagte Erdogan, wenn Europa etwas von der Türkei wolle, müsse die Türkei erst bekommen, was sie wolle.
Gabriel sagte, sein Ministerium habe wegen der neuen Entwicklung im Fall Steudtner sofort den Kontakt zur türkischen Regierung aufgenommen. „Wir setzen weiterhin alles daran, die inhaftierten deutschen Staatsbürger, zu denen auch Peter Steudtner gehört, zurück nach Deutschland zu bringen“, sagte er.
Die Anwälte von Steudtner und Gharavi hatten zuletzt scharfe Kritik an den Haftbedingungen ihrer Mandanten geübt. Die beiden sitzen im Gefängnis Silivri westlich von Istanbul ein, in dem auch der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel inhaftiert ist. Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind unter anderem wegen der Inhaftierung zahlreicher Deutscher angespannt.
Nach Angaben der Bundesregierung sind zurzeit elf Deutsche wegen politischer Vorwürfe in der Türkei inhaftiert. Namentlich bekannt sind davon Steudtner, Yücel und die Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu. Der Prozess gegen Tolu beginnt nächste Woche in Silivri.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte erst kurz zuvor in einem Interview des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ gesagt, dass er sich für eine Beschleunigung des Verfahrens von Steudtner einsetzen werde.